Neben dem Schulterhauptgelenk zwischen dem Oberarmkopf und der Gelenkpfanne, in der sich dieser bewegt, gibt es an der Schulter ein kleines aber sehr wichtiges Gelenk: das Schultereckgelenk oder auch Acromio-Clavicular-Gelenk bzw. kurz AC-Gelenk.
Es ist die gelenkige Verbindung zwischen dem äußeren Ende des Schlüsselbeins (Clavicula) mit dem Schulterdach (Acromion). Zwischen den mit einer Knorpelschicht überzogenen Gelenkflächen befindet sich ein Puffer, der so genannte „Discus“, ähnlich einer Bandscheibe an der Wirbelsäule. Das sehr straffe Gelenk ist von einer kräftigen Gelenkkapsel umgeben. Zusätzlich wird es durch zwei Bänder (coracoclaviculäre Bänder) stabilisiert.
Je nach Ausmaß der Gewalteinwirkung kommt es bei einer Verletzung des Schultereckgelenks zur Überdehnung bis hin zur kompletten Zerreißung der Gelenkkapsel sowie der Stabilisierungsbänder.
Folge einer solchen Kapsel-Bandverletzung ist eine mehr oder minder starke Instabilität des Gelenks mit entsprechender Fehlstellung des äußeren Endes des Schlüsselbeins. Die Schwere der Verletzung wir in unterschiedliche Grade eingeteilt. Die gebräuchlichsten Klassifizierungen sind die nach Tossy (I-III) bzw. aktuell nach Rockwood (I-VI).
Der Verletzte hat in der Regel Schmerzen, die besonders bei Bewegungen des Armes verstärkt werden sowie beim Liegen auftreten. Neben einer umschriebenen Schwellung in der Schulterregion ist gegebenenfalls ein so genannter Hochstand des äußeren Endes des Schlüsselbeins durch die Haut zu erkennen.
Sofortmaßnahmen: Schultereckgelenk Verletzung
Zur Sofortversorgung gehört es den Arm in einer Bandage oder Schlinge vor dem Bauch zu stabilisieren. Hierdurch können die meist starken Schmerzen rasch gelindert werden. Wie bei jeder akuten Verletzung können durch die Auflage eines Eisbeutels eine stärkere Gewebeschwellung und somit auch Schmerzen verringert werden. Es sollte möglichst rasch ein Arzt aufgesucht werden.
Zur Diagnosestellung gehört neben der Erörterung des Unfallmechanismus eine genaue ärztliche Untersuchung der Schulter. Zusätzlich ist meist eine Röntgenuntersuchung erforderlich, um einen eventuellen Knochenbruch auszuschließen.
Eine exakte Aussage über den Schweregrad der Bandverletzung (Tossy I-III bzw. Rockwood I-IV) erhält man durch so genannte Belastungsaufnahmen der unverletzten und der verletzten Schulter im Seitenvergleich ("Wasserträger-Aufnahme"). Das Ausmaß des Hochstandes des Schlüsselbeins unter Zugbelastung ist ein direktes Maß für den Schweregrad der Verletzung. Alternativ kann durch Ultraschall die Instabilität des verletzten Gelenks überprüft werden. Eine Kernspin-Tomographie (MRT) kann die verletzten Bandstrukturen direkt darstellen.
Bei leichteren Verletzungen des Schultereckgelenks (Schweregrade I und II) sind die Kapsel-Band Strukturen lediglich überdehnt bzw. leicht angerissen. Dem zufolge besteht eine allenfalls leichte Gelenkinstabilität. Solche Verletzungen sollten eindeutig konservativ, d.h. ohne Operation behandelt werden.
Dabei erfolgt zunächst die Ruhigstellung des Gelenks mit einem stützenden Verband bis zum Nachlassen der Schmerzen. Eis, Salben und gegebenenfalls abschwellenden Medikamenten (z.B. Diclofenac, Ibuprofen) sollten anfangs zusätzlich eingesetzt werden.
Physiotherapie kann den Heilungsprozess unterstützen Bei leichten Verletzungen (Tossy I-II, Rockwood I-II) kann mit nachlassendem Schmerz wieder mit leichtem Training begonnen werden, sofern die betriebene Sportart die betroffene Schulter nicht zu sehr beansprucht.
Um ein Heilen der teilverletzten Bänder zu ermöglichen beträgt bei mittelstarken Verletzungen des Schultereckgelenks die empfohlene Sportpause ca. 6–8 Wochen. Bei stark schulterbelastendem Sport sowie Kontakt- und Risikosportarten sollte ggf. für 12 Wochen pausiert werden. Bei vollständiger Zerreißung aller Bänder (Grad III und höher) ist tendenziell die operative Versorgung empfohlen, wobei die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Behandlungsverfahren individuell gegeneinander abgewogen werden müssen.
Die anatomiegerechte Wiederherstellung des verletzen Schultereckgelenks sollte bei höhergradigen Schultereckgelenk Verletzungen (Tossy III bzw. Rockwood III und höher) zumindest bei jungen und körperlich aktiven Menschen angestrebt werden. Ansonsten verbleiben eine eingeschränkte Funktion sowie Schmerzen bei vermehrter Belastung der Schulter.
Auch die Entwicklung eines vorzeitigen Gelenkverschleißes (Arthrose) im Schultereckgelenk wird diskutiert. Nicht zuletzt muss auch der kosmetische Aspekt berücksichtigt werden. Häufig wird ein deutlich hoch stehendes Schlüsselbein als ästhetisch störend empfunden.
Ob eine Operation bei einer höhergradigen Verletzung (Tossy III, Rockwood III – VI) anzuraten ist, ist jedoch individuell zu prüfen und sollte unbedingt mit einem Schulterspezialisten besprochen werden.
Ziel der Operation ist die präzise, anatomische Wiederherstellung des verletzten, instabilen Schultereckgelenks. Das Prinzip der Operation beruht darauf, dass die verschobenen Gelenkanteile zunächst eingerichtet werden. Danach muss das Gelenk vorübergehend fixiert werden, damit die gerissenen Kapselbandstrukturen heilen und ihre stabilisierende Funktion wieder übernehmen können.
Wichtig ist, dass eine solche Operation frühzeitig nach dem Unfallereignis, d.h. innerhalb der ersten zwei Wochen erfolgt. Danach haben die verletzten Kapsel-Bandstrukturen keine Heilungstendenz mehr und müssen ggf. durch ein Sehnentransplantat ersetzt werden.
Früher erfolgte die frühzeitige Stabilisierung des verletzten Schultereckgelenks durch eine offene Operation mit einer Platte, Drähten oder bioresorbierbaren Kordeln. Diese Techniken hatten z.T. erhebliche Nachteile. Neben der relativ großen, offenen OP und im Nachhinein auffälliger großer Narbe war zudem eine zweite OP zur Entfernung der Implantate notwendig.
Heute sind Schulterspezialisten in der Lage eine Stabilisierungs-Operation des Schultereckgelenks minimal-invasiv, d.h. per Arthroskopie durchzuführen. Hierzu sind lediglich vier ca. drei mm kleine Zugänge erforderlich über die eine Optik mit Minikamera sowie feinste OP-Instrumente eingebracht werden.
Die eigentliche Stabilisierung des Gelenks erfolgt mittels zweier arthroskopisch eingebrachter Fadensysteme die mit kleinen Titanplättchen fixiert werden (z.B. Tight Rope; Fa. Arthrex). Auch hierbei ist wichtig, dass der Eingriff innerhalb der ersten zwei Wochen (Akutphase) nach einer Verletzung erfolgt. Es ist also wichtig, unmittelbar nach der Verletzung eine schnelle und genaue Diagnostik durchzuführen, damit diese äußerst effektive Methode zum Einsatz kommen kann.
Bereits nach zwei Wochen handelt es sich bei der Schultereckgelenkssprengung um eine „chronische“ Verletzung. Die verletzten Bänder ziehen sich zurück und können dann nach einer reinen Stabilisierungsoperation nicht mehr heilen. Aus diesem Grund wird bei Verletzungen, die länger als zwei Wochen zurückliegen, eine körpereigene Sehne als Ersatz für die verlorenen Bandstrukturen verwendet (analog zur Kreuzband-OP). Auch diese, allerdings dann aufwändigere Operation wird minimal-invasiv, also per Arthroskopie durchgeführt.
Arthroskopische Stabilisierungsoperationen des Schultereckgelenkes werden in Vollnarkose durchgeführt. In aller Regel ist ein kurzer Klinikaufenthalt von 2 Nächten erforderlich.
Wurde das Schultereckgelenk operativ behandelt, wird die Schulter für ca. 2 Wochen in einer Funktionsbandage geschützt. Eine frühzeitig einsetzende Physiotherapie soll den Heilungsverlauf unterstützen und einer Schultersteife vorbeugen. Tätigkeiten über Schulterhöhe sowie ein intensiveres Aufstützen sollen für 8-10 Wochen, Risikosportarten für 4 - 6 Monate gemieden werden.