IM FOKUS

Bänderriss am Sprunggelenk

Ausgabe
25
Cover der IM FOKUS Ausgabe

Diagnose und Behandlung bei Verletzungen des Sprunggelenkes

Bandverletzungen am Sprunggelenk sind überaus häufig und kommen insbesondere nach Sportunfällen vor. Man schätzt, dass eine Sprunggelenkverletzung pro 10’000 Personen und Tag geschieht und allein über 30% aller Fussballverletzungen und 45% aller Basketballverletzungen das Sprunggelenk betreffen. Oftmals werden diese Verletzungen unter der verharmlosenden Diagnose „Distorsion“ geführt und nicht mit der gebührenden Aufmerksamkeit bedacht. Die richtige Diagnosestellung ist jedoch wichtig, da es bei nicht adäquater Behandlung in 20-30% der Fälle zu einer chronischen Bandinstabilität mit wiederholten Distorsionen und in der Folge zu einer posttraumatischen Arthrose kommen kann.

Wir geben Ihnen in dieser Ausgabe von IM FOKUS eine Übersicht rund um die häufigste Sprunggelenkverletzung und hoffen, durch unsere praxisnahen Informationen Ihre therapeutische Arbeit effektiv zu unterstützen.

Anatomie

Das Sprunggelenk verbindet den Unterschenkel mit dem Fuss und muss bei jedem Schritt die gesamte Körperlast tragen und auf den Boden umsetzen. Die komplexe Anatomie des Bandapparats im Bereich des Sprunggelenks spielt eine entscheidende Rolle für das Verständnis dieser Verletzungen. Zahlreiche Bänder und Sehnen sichern und führen das Sprunggelenk, dabei entstehen bei einem normalen Gangzyklus Kräfte, die dem Dreifachen des Körpergewichts entsprechen. Für die Stabilität sind neben dem Syndesmosenband vor allem die Bandstrukturen an Außen- und Innenknöchel wichtig.

Die allermeisten Verletzungen des Bandapparates am Sprunggelenk betreffen die Außenbänder. Der Außenbandkomplex des Sprunggelenks umfasst dabei drei Anteile:

  • Lig. fibulotalare anterius (ATFL - verläuft von der anterioren Fibulaspitze zum Talus)
  • Lig. fibulocalcaneare (CFL - entspringt distal des ATFL von der Fibulaspitze und zieht dorsomedial zum Kalkaneus)
  • Lig. fibulotalare posterius (PTFL - verläuft von der hinteren Innenseite des Außenknöchel zum dorsalen Talus

Je schwerwiegender der Unfall, desto mehr wichtige Strukturen des oberen Sprunggelenks werden verletzt. Die isolierte ATFL-Ruptur ist die mit Abstand häufigste Verletzung. Meist sind diese Rupturen intraligamentär, jedoch kommen auch knöcherne Bandausrisse an Fibula oder Talus vor.

Am zweithäufigsten sind Kombinationsverletzungen von ATFL und CFL. Das PTFL stellt die kräftigste Struktur des Außenbandkomplexes dar und ist daher selten betroffen.

Außenbandrupturen können mit zahlreichen weiteren Verletzungen einhergehen, auf welche bei der Untersuchung unbedingt geachtet werden muß. Hierzu zählen Verletzungen der Peronealsehnen, Innenbandläsionen, osteochondrale Frakturen des Talus, Syndesmosenverletzungen sowie Frakturen der Basis des Os metatarsale V.

Das breit gefächerte Innenband (Lig. deltoideum/Deltaband), welches vom Malleolus medialis zum Kalkaneus, Kahnbein und Talus zieht, ist im Vergleich zu den Außenbänder wesentlich seltener von Verletzungen betroffen. Die isolierte Innenbandläsion macht unter 5% aller Bandverletzungen am Sprunggelenk aus. Meist finden sich Innenband-verletzungen in Kombination mit Frakturen, Außenband- oder Syndesmosenrupturen.

Symptome und Diagnostik

Nur wenige Patienten können den genauen Unfallmechanismus bzw. die Gelenkstellung zum Zeitpunkt des Traumas beschreiben. Meist wird allgemein ein Umknickereignis im Sinne einer Supination angegeben. Besonders häufig tritt dies bei Sportarten mit schnellen Richtungswechseln wie Fußball, Basketball oder Handball auf. Zusätzliche Risikofaktoren sind ein schlechter Trainingszustand, verkürzte Muskulatur und Sehnen sowie Übergewicht.

Klinisch findet sich neben einer schmerzhafte Schwellung und Hämatombildung am Außenknöchel eine schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit für die Extension/Plantarflexion und vor allem für die Supination. Die Stabiltätstestung der Außenbänder (Inversionsstresstest) ist bei einem akuten Trauma schmerzbedingt meist nicht aussagekräftig und dient somit eher der Beurteilung einer chronischen Instabilität. Der vordere Schubladentest am Sprunggelenk (Drawer-Test) provoziert Schmerzen bei ATFL-Partialrupturen, kann aber bei kompletten Läsionen auch schmerzarm sein. Er sollte immer mit gebeugtem Kniegelenk durchgeführt werden um ein falsches Ergebnis durch eine gespannte Achillessehne zu vermeiden.

Neben einer differenzierten ärztlichen Untersuchung dient eine Röntgenuntersuchung in 2 Ebenen zum Ausschluss von knöchernen Verletzungen. Die früher oft durchgeführten gehaltenen Aufnahmen sind in der Akutphase für die Patienten äußerst unangenehm und finden heutzutage auch wegen ihrer großen Variabilität kaum noch Anwendung. Standardmäßig wird die Sonographie eingesetzt, mit der eine Läsion am Bandapparat sehr zuverlässig festgestellt und eine Ergussbildung im OSG als möglicher Hinweis auf eine intraartikulären Verletzung (z.B. ostechondrale Läsionen am Talus) erkannt werden kann.

Bei Verdacht auf eine höhergradige Verletzung sollte ein MRT angefertigt werden. Hiermit kann zum einen das genaue Ausmaß der Bandverletzung, aber eben auch darüber hinausgehende Läsion z.B. der Syndesmose, Knochenödeme und Knorpelschäden diagnostiziert werden.

Ruptur des Lig. fibulotalare anterius
Gelenkerguss im OSG
Ruptur des Lig. fibulotalare anterius
Gelenkerguss im OSG

Bisher hat sich keine Klassifikation vollständig durchgesetzt. Häufig finden sich 3‐stufige Gradeinteilungen, die sich entweder an der Zahl der betroffenen Bandanteile (ATFL, CFL, PTFL) oder am Ausmaß der Läsion (Zerrung, Teilruptur, vollständige Ruptur) orientieren.

Therapie

In den meisten Fällen werden Bandverletzungen konservativ behandelt, dies gilt insbesondere für die Fälle ohne Nachweis einer Instabilität. Nach der anfänglichen Phase mit Hochlagern, Kühlen, Schonung und Kompression (PECH-Schema), muß das Sprunggelenk durch eine entsprechende Orthese ausreichend lang und suffizient stabilisiert werden.

Die am häufigsten verletzten Bänder, das ATFL und das CFL, sind keine dicken, kräftigen Bandstrukturen. Man kann sie sich eher wie eine bandförmige Verdickung der lateralen Gelenkkapsel vorstellen. Wenn diese Bänder reissen, sind sie immer noch gut in die Kapselstruktur des Sprunggelenks integriert und ziehen sich bei weitem nicht so stark zurück, wie dies beispielsweise häufig bei einer vorderen Kreuzbandläsion der Fall ist. Die Gelenkkapsel des OSG ist dabei praktisch immer mit ab- oder eingerissen. Durch Dorsalextension und Pronation des Fusses gelingt es sehr häufig, diese gerissenen Kapsel-Band-Strukturen wieder so gut anzunähern, dass eine stabile Heilung auch ohne Operation möglich wird.

Geeignete Orthesen stabilisieren sowohl die Supination des Rückfusses als auch den Talusvorschub. Ausserdem ist auch die Tragedauer der Orthese entscheidend: Sie beträgt mindestens 6 Wochen (Tag und Nacht). Vor allem nachts verhindert die Orthese bei Nachlassen des Muskeltonus des Musculus peroneus brevis ein Wegsinken des Fusses in Richtung Plantarflexion - Supination und beugt so einer Dehiszenz zwischen dem gerissenen Aussenband und seinem Ursprung vor. Nach dieser Zeit sollte die Orthese für weitere 2-4 Wochen im Alltag und für mindestens 3 Monate bei „Stop-and-go“-Sportarten getragen werden.

Bsp. einer Sprunggelenkorthese

Nach Ausschluss einer Fraktur bzw. einer Syndesmosenverletzung können die Patienten von Beginn an funktionell mit schmerzadaptierter Vollbelastung nachbehandelt werden. Mit Hilfe von abschwellenden Maßnahmen und einer entsprechender Schmerztherapie (NSAR) wird den Patienten früh ein physiologisches Abrollverhalten ermöglicht, wodurch die propriozeptive Stabilität des Sprunggelenks gefördert wird. „Stop-and-go“-Sportarten und Risikosportarten müssen Fürsechs Wochen pausiert werden. Auch die stabilste Orthese ist nicht in der Lage, die hierbei auftretenden Beschleunigungskräfte zu neutralisieren. Hingegen können lineare Sportarten wie Walken, Ergometer oder Crosstrainer rasch nach der Verletzung wieder begonnen und im schmerzfreien Rahmen gesteigert werden.

Die operative Versorgung von Außenbandläsionen erfolgt in der Regel nur begleitend beim Vorliegen von weiteren Verletzungen wie Frakturen oder Syndesmosenverletzungen.

Auch eine Innenbandläsion kann fast immer konservativ mittels Orthese (s.o.) behandelt werden. Lediglich wenn ein eingeschlagenes Innenband ein Repositionshindernis bei der Versorgung von Außenknöchelfrakturen oder Syndesmosenverletzungen darstellt, kann eine Innenbandrevision mit Naht notwendig werden.

Eine Verletzung der Syndesmose wird meist operativ versorgt. Eine konservative Therapie mit einem Walker für 6 Wochen ist nur bei isolierter Verletzung der vorderen Syndesmose (Lig. tibiofibulare anterius (AITF)) ohne Instabilität und knöcherne Beteiligung möglich. Ansonsten ist die Therapie in aller Regel operativ und umfasst zum einen die Syndesmosennaht und zum anderen die temporäre Stabilisierung (i.d.R. 6 Wochen) der Malleolengabel mittels Stellschraube.

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