Das Hüftgelenk ist das beim Menschen am häufigsten von der Arthrose betroffene Gelenk. Etwa 5 % der Erwachsenen in Deutschland im Alter von über 60 Jahren leiden an Beschwerden durch eine Hüftgelenkarthrose. Folglich gehört der endoprothetische Ersatz des Hüftgelenks mit rund 250.000 Eingriffen zu den häufigsten Operationen in Deutschland. Der endoprothetische Gelenkersatz zählt somit zu den wichtigsten chirurgischen Therapieverfahren der Nachkriegszeit.
Die Hüft-TEP wurde kürzlich von der Fachzeitschrift THE LANCET zur „Operation des Jahrhunderts“ gewählt. Verständlicherweise, denn kaum eine andere Operation führt so zuverlässig zu rundum zufriedenen Patienten. Fortschritte sowohl im Design von Gelenkprothesen als auch der OPTechniken ermöglichen heute eine individuelle, auf die Bedürfnisse des Patienten zugeschnittene Behandlung der Coxarthrose. 95 % der implantierten Hüftprothesen sind auch nach 10 Jahren noch voll funktionsfähig.
Wir möchten Ihnen nachfolgend in diesem ersten Teil zum Thema Hüftgelenkverschleiß eine Übersicht von der Anatomie über die Diagnostik bis hin zu den konservativen Therapiemöglichkeiten geben.
Die Hüftarthrose zählt gemeinsam mit den Verschleißerkrankungen an anderen mechanisch belasteten Gelenken (v.a. Knie, Fuß, Hand) und der Wirbelsäule zu den häufigsten Erkrankungen in den Industrienationen. Es kann davon ausgegangen werden, dass hierzulande bei etwa 5 % aller Menschen im Laufe ihres Lebens einmal Behandlungsbedarf wegen einer Hüftarthrose besteht.
Bei den Betroffenen führt die Coxarthrose im fortgeschrittenen Stadium zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität. Die steigende Lebenserwartung in unserer Gesellschaft zusammen mit gestiegenen Ansprüchen an Lebensqualität und Aktivität im Alter machen es erforderlich, eine Coxarthrose frühzeitig zu diagnostizieren und stadiengerecht zu therapieren.
Der Behandlungsbedarf reicht von Beratung und konservativer Behandlung bis hin zu operativen Therapiemaßnahmen.
Die alltäglichen Ansprüche an das Hüftgelenk erfordern ein hohes Maß an Stabilität bei gleichzeitig großem Bewegungsumfang. Dabei vermittelt das Hüftgelenk als Kugelgelenk die Bewegungen zwischen unterer Extremität und Rumpf.
Die Belastung beträgt beim Gehen rund das Doppelte, beim Joggen über das Vierfache des Körpergewichtes. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, ist eine enge funktionelle Interaktion von knöchernen Anteilen und den umliegenden Weichteilstrukturen notwendig. Die knöchernen Gelenkpartner sind der Femurkopf und die Hüftpfanne (Acetabulum), die Weichteilstrukturen umfassen das den Pfannenrand zirkulär umgebende Labrum und die Gelenkkapsel, in die die kräftigsten Bändern des menschlichen Körpers integriert sind (Ligg. iliofemorale, ischiofemorale und pubofemorale).
Unterschieden werden primäre und sekundäre Coxarthrosen.
Hierbei ist eine explizite Ursache nicht bekannt. Der natürliche Alterungsprozess des Knorpels ist von wesentlicher
Bedeutung.
Alle Arthroseformen des Hüftgelenks, die auf eine spezifische Ätiologie zurückgeführt werden können, bezeichnet man als sekundäre Coxarthrosen.
Zu den sogenannten Prä-Arthrosen zählen:
Die Diagnose der Coxarthrose wird in aller Regel klinisch und radiologisch gestellt.
Die Hüftarthrose ist durch einen fortschreitenden, phasenhaften Verlauf gekennzeichnet. Anfangs leiden die Patienten unter Belastungsschmerzen, vor allem im Leistenbereich, oftmals sind auch die Trochanter- und Glutealregion sowie der ventrale Oberschenkel inklusive des Knies betroffen.
Im weiteren Verlauf treten auch Ruhe- und Nachtschmerzen auf, normale Gehstrecken können nicht mehr schmerzfrei bewältigt werden. Es treten zunehmende Bewegungseinschränkungen auf, die zum Teil die selbstständige Körperpflege massiv behindern können. Zusätzlich führt der Verlust von Muskelmasse und Kraft zu erheblichen Einschränkungen im Alltag, was die die Lebensqualität stark einschränkt.
Zu der primären Diagnostik der Coxarthrose gehören Röntgenaufnahmen im Stehen in Form von standardisierten Spezialaufnahmen (Becken- oder besser Hüftübersicht im Stand, Lauenstein-Projektion).
Die Aufnahmen dienen zur Einschätzung möglicher Deformitäten (z.B. Dysplasie bzw. Impingement), der Überprüfung auf Arthrosezeichen sowie ggf. einer Vermessung der Gelenkgeometrie in Hinblick auf einen operativen Eingriff.
Mithilfe der Sonografie, welche wir bei jedem Hüftpatienten zum Einsatz bringen, kann ein intra-artikulärer Erguss, der ja das Korrelat der momentanen Entzündungsaktivität eines Gelenkes ist, sehr zuverlässig festgestellt werden. Diese Information ist für unsere Therapieplanung sehr wichtig und korreliert übrigens (im Gegensatz zum Röntgenbild) meist sehr gut mit den Beschwerden des Patienten. Zusätzlich können wir in der Sonografie mit etwas Übung Osteophyten und die periartikulären Weichteile beurteilen.
Die Kernspintomografie kann als einzige Untersuchung die Frühstadien der Hüftkopfnekrose zeigen. Des Weiteren können Weichteile (Bursa trochanterica, Glutealsehnen und -muskulatur, Labrum, Lig. capitis femoris, proximale ischiocrurale Sehnen usw.) beurteilt werden. Die Untersuchung ist dann sinnvoll, wenn bei fehlenden Arthrosezeichen im Röntgenbild nach anderen Erkrankungsursachen gesucht werden muss und beispielsweise die Möglichkeit von gelenkerhaltenden operativen Eingriffen (Hüftgelenkarthroskopie/Umstellungsosteotomien) zu klären ist.
Allgemeinmaßnahmen und Prophylaxe sind wichtige Säulen der Therapie von Knorpelschäden und der daraus resultierenden Arthrose.
Eine Kernaussage lautet: „Bewegung ist gut – Überlastung ist schlecht!“
Runde, sanfte Bewegungen (Gymnastik, Schwimmen, Wandern, Golf etc.) verbessern sowohl die Diffusion von Nährstoffen aus der Synovialflüssigkeit in den hyalinen Knorpel als auch den Tonus der gelenkentlastenden Muskulatur. Zudem kann über die regelmäßige körperliche Aktivität eine Optimierung des Körpergewichtes erreicht werden, was zu einer erheblichen Belastungsreduktion der Gelenke führt.
Berufliche und sportliche Tätigkeiten mit hoher Gelenkbelastung wie z. B. das Heben und Tragen von sehr schweren Lasten, körperlich einseitige Belastung (z. B. langes Sitzen und langes Stehen) und Sportarten mit wiederholt auftretenden Stößen mit hoher Spitzenbelastung, wie Fußball, Sprungsportarten und extreme Langstreckenläufe, sollten vermieden werden, wenn fortgeschrittene Arthrosen bekannt sind.
Die physiotherapeutische Behandlung der Coxarthrose umfasst unterschiedliche Techniken. Dazu zählen die Krankengymnastik, Manuelle Therapie, Krafttraining, Koordinationsund Propriozeptionstraining sowie die Osteopathie.
Die Aufgabe des Physiotherapeuten ist es, diese Techniken individuell an den jeweiligen Patienten, sein Krankheitsbild und die Symptomausprägung anzupassen und so die Symptome sowie den Progress der Arthrose zu minimieren.
Primäre Ziele sind die Schmerzreduktion und die Verbesserung der Bewegungseinschränkung. Ursächlich für die Gelenkeinsteifung sind vor allem längerfristig bestehende Schmerzen in der Hüfte, welche zu reflektorischen Verspannungen und Verkürzungen der hüftumgebenden Muskulatur und der Gelenkkapsel führen. Betroffen sind dabei vor allem die Hüftbeuger, die Adduktoren und die Außenrotatoren des Hüftgelenks. Dies kann zum einen durch passive Gelenkmobilisation und Dehnen durch den Therapeuten, aber auch durch regelmäßige Eigenübungen verbessert werden.
Weiterhin ist der Aufbau der hüftumgebenden Muskulatur durch adäquates Training ein wesentlicher Bestandteil der Therapie. Die sekundär häufig begleitend auftretenden Beschwerden der Lendenwirbelsäule und des Iliosacralgelenkes müssen bei der Behandlung mit einbezogen werden.
Physikalische Therapien umfassen insbesondere Massagen, Elektro-, Ultraschall- oder Thermobehandlungen. Mit ihnen kann eine Schmerzreduktion durch Entzündungshemmung und Verbesserung des Gelenkstoffwechsels erreicht werden.
Das medikamentöse Management der Coxarthrose muss unter Einbezug des Arthrosestadiums und des Risikoprofils des Patienten abgestimmt werden.
Dies umfasst die systemische oder intraartikuläre Applikation von Medikamenten; oberflächliche Einreibungen spielen aufgrund des tief im Körper liegenden Hüftgelenks eine Nebenrolle. Als Stoffgruppen stehen Analgetika, nicht steroidale Antiphlogistika, Kortisonpräparate und Homöopathika zur Verfügung. Im Bereich der konventionellen Analgetika sind die NSAR dem Paracetamol klar überlegen.
Die intraartikuläre Applikation von Glukokortikoiden ist sehr erfolgreich bei entzündlichen Reizzuständen, sollte aber nicht mehr als 2–3x/Jahr durchgeführt werden.
Die Empfehlung der orthopädischen Fachgesellschaften zum Einsatz von Hyaluronsäure bei Arthrose gilt auch für die Coxarthrose. Die intraartikuläre Verabreichung von Hyaluronsäure kann den Knorpelverlust verlangsamen und die Symptome lindern.
Wir selbst sehen gute Ergebnisse bei der intraartikulären Anwendung von Hyaluronsäure. Allerdings empfehlen wir diese praktisch nur für die bereits kompensierte (also nicht mehr aktivierte/entzündete) Arthrose - bezüglich der Schmerzsymptomatik also zum Erhalt des (positiven) Status quo. Eine zufriedenstellende Schmerzfreiheit muss daher im schmerzhaften Zustand (Stichwort: „aktivierte Arthrose“) zunächst z. B. mit einer Kortisoninjektion herbeigeführt werden. Mit diesem Vorgehen beobachten wir oft über viele Jahre einen zufriedenstellenden Zustand der Arthrose-Gelenke.
Eine weitere Therapiealternative stellt die intraartikuläre Applikation von biotechnologisch aufbereiteten, körpereigenen Entzündungshemmern, z. B. Autologous Conditioned Plasma (ACP) dar. Die Evidenz hierzu ist jedoch noch spärlich.
In einigen Wochen werden wir in einem zweiten Teil über operative Behandlungsoptionen und deren Nachbehandlung informieren.
Je länger Menschen an Arthrose leiden, desto mehr reduzieren sie ihre körperliche Aktivität. Die Folgen sind eine erhöhte Inzidenz von Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen.
Eine Gelenkprothese kann Menschen mit schwerer Arthrose an Knie oder Hüfte aus diesem Teufelskreis befreien. Patienten, die sich ein künstliches Gelenk einsetzen lassen, haben ein deutlich geringeres Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung.
Das zeigt eine im renommierten British Medical Journal (BMJ) veröffentlichte Studie, die über einen Zeitraum von sieben Jahren einen absoluten Rückgang des Infarktrisikos von 14,2 Prozent aufweist.
Die Forscher der Studie untersuchten 2.200 Patienten über 55 Jahre mit moderater bis schwerer Hüft- oder Kniegelenkarthrose. Hierbei verglichen sie die Patienten, die ein künstliches Gelenk erhielten, mit denjenigen, die keines bekamen, hinsichtlich auftretender Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Mediziner kamen zu dem Ergebnis, dass die Patienten mit Gelenkersatz einen mobileren Lebensstil pflegten und seltener einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten. Dies ist die erste wissenschaftliche Untersuchung, die aufzeigt, dass Gelenkprothesen indirekt vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen können.