Gelenkersatz: Hüfte – Knie – Schulter
In Deutschland benötigen jährlich mehr als 400.000 Menschen ein künstliches Gelenk. Der endoprothetische Gelenkersatz zählt zweifellos zu den wichtigsten chirurgischen Entwicklungen der Nachkriegszeit. Fortschritte sowohl im Design von Gelenkprothesen als auch in den OP-Techniken ermöglichen heute eine individuelle, auf die besonderen Bedürfnisse des Patienten zugeschnittene Behandlung der Arthrose mit exzellenten Ergebnissen – insbesondere an den großen Gelenken. Gut 95 Prozent der implantierten Prothesen halten über 10 Jahre, 70–80 Prozent über 20 Jahre lang. Um die wissenschaftliche Forschung voranzutreiben und das mit nur 2 Prozent sehr geringe Restrisiko auf Komplikationen weiter zu minimieren, soll in Deutschland zeitnah ein unabhängiges Endoprothesenregister an den Start gehen. Wir möchten Ihnen nachfolgend eine praxisrelevante Übersicht zum Thema Endoprothetik der großen Gelenke geben.
Der endoprothetische Gelenkersatz bei Arthrose des Hüft-, Knie- und Schultergelenkes nimmt in Deutschland in den letzten Jahren stetig zu. Experten sind sich einig, dass der Anstieg sicherlich Folge der demografischen Entwicklung in Deutschland ist, aber auch ein klarer Indikator für die Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitssystems und dessen Versorgungsqualität. Den Anstieg primär als Folge einer pekuniär induzierten, unkritischen Operationswut darzustellen, wie dies in letzter Zeit in den Medien allzu häufig und sehr populistisch geschah, ist sicherlich unrichtig. Dies verunsichert leider viele Patienten, die von solch einem Eingriff profitieren würden.
Um die positiven Ergebnisse nach Gelenkersatz weiter zu verbessern, muss die Indikation zum Gelenkersatz selbstverständlich weiterhin kritisch geprüft werden.
Die entscheidende Frage, die wir mit unseren Patienten beantworten müssen, lautet: „Wann ist der „richtige“ Zeitpunkt für den Gelenkersatz?“ Entscheidend ist hierbei der Einfluss der Arthrose auf die Lebensqualität des Patienten und nicht etwa das Ausmaß der Arthrose im Röntgenbild.
Wenn konservative Therapiemaßnahmen nicht dazu führen, dass der Patient – ggf. auch unter Inkaufnahme von leichten Beschwerden – die Aktivitäten, die ihm persönlich wichtig sind, schmerzarm durchführen kann, sollte eine Gelenkersatz- Operation erwogen werden. Voraussetzung ist dann natürlich ein entsprechender Gelenkbefund, d. h. der radiologische Nachweis einer fortgeschrittenen Arthrose, die keiner gelenkerhaltenden operativen Intervention zugänglich ist. Dies gilt umso mehr, wenn der Patient neben Belastungsschmerzen auch Ruhe- oder gar nächtliche Schmerzen hat und deshalb ständig auf Analgetika oder Antiphlogistika angewiesen ist. Selbstverständlich gibt es eine Reihe von Faktoren, die auf die Entscheidung pro oder contra Endoprothese Einfluss nehmen:
Bei einem älteren, ggf. polymorbiden Patienten müssen Operationsrisiko und „Aufwand/Nutzen aus Patientensicht“ berücksichtigt werden.
Es ist sicherlich richtig, dass schmerzfrei mobil sein umso wichtiger ist, je jünger ein Patient ist. Gerade für sehr junge Patienten muss jedoch die eventuell limitierte Haltbarkeit der Prothese und die Komplexität einer ggf. konsekutiv notwendigen Prothesenwechsel-OP berücksichtigt werden. Es sollte auch klar sein, dass nach künstlichem Gelenkersatz eine Rückkehr zu leistungsorientiertem Sport oder auch zu Stop-and-go-Sportarten wie Fußball o. Ä. nur sehr eingeschränkt empfohlen werden kann.
Es sollten sicherlich keine „Röntgenbilder operiert werden“. Es ist aber auch wichtig, nicht den richtigen Zeitpunkt für einen endoprothetischen Gelenkersatz zu verpassen. Überschreitet beispielsweise bei progredienter Gonarthrose die Achsfehlstellung des Gelenkes ein gewisses Maß, muss statt eines Oberflächenersatzes eine achsgeführte Prothese mit kürzerer Standzeit implantiert werden. Ähnlich gilt dies für andere Gelenke gleichermaßen. Wenn knöcherner Abrieb entsteht, wird die Verankerung der Prothese erschwert, mit negativem Einfluss auf Funktion und Haltbarkeit. Die Bestimmung des richtigen Zeitpunkts zum endoprothetischen Gelenkersatz ist eine wichtige ärztliche Aufgabe. Eine Entscheidung, die auf Basis von fundiertem medizinischen Wissen und dem Wissen um die individuellen Bedürfnisse und Erwartungen des Patienten getroffen werden muss.
Hüftendoprothesen werden bei mobilen Menschen fast ausnahmslos als Totalendoprothesen implantiert. Hemiprothesen ohne Ersatz der Pfanne sind nur in Situationen indiziert, in denen keine volle Mobilität mehr benötigt wird, da sonst ein Durchwandern des künstlichen Hüftkopfes durch die natürliche Pfanne zu befürchten ist (Protrusion).
Die Hüft-TEP wurde kürzlich von der Fachzeitschrift THE LANCET zur „Operation des Jahrhunderts“ gewählt. Verständlicherweise, denn kaum eine andere Operation führt so zuverlässig zu einem rundum zufriedenen Patienten.
Trotz aller Neuerungen hinsichtlich der Implantat-Designs muss sich jede „Innovation“ am Gold-Standard messen lassen. Dies ist weiterhin die klassische Schaftprothese mit exzellenten Langzeitergebnissen und Nachuntersuchungen, die oft weit über 25 Jahre überblicken.
Wir unterscheiden zementfrei verankerte von zementierten Endoprothesen, deren differenzierter Einsatz im Wesentlichen von der Knochenqualität des Patienten abhängt. Zementfreie (Titan-)Implantate kommen beim härteren Knochen des meist jüngeren Patienten zum Einsatz und werden „press-fit“ verankert, was zu einer sehr hohen Primärstabilität führt und üblicherweise eine sofortige Vollbelastung erlaubt.
Die zementierte Variante hat für den oft weicheren Knochen des älteren Patienten den Vorteil, dass sich durch das Eindringen des Knochenzementes in die poröse Struktur des Knochens eine flächigere Verankerung ergibt und beim Einbringen der Prothese die Gefahr einer Fraktur durch das fehlende Einschlagen erheblich geringer ist.
An der Hüfte sind an Kopf und Pfanne verschiedene Materialien als „Gleitpaarungen“ möglich. Es kommen Keramik, Metall und Polyethylen zum Einsatz, deren Vor- und Nachteile der Operateur für seine Patienten individuell auswählen muss.
Eine vergleichsweise neue Entwicklung stellt die Gruppe der Kurzschaftprothesen dar, die sich anders als die klassischen Prothesen im Bereich des ganz proximalen Femur verankern. Vorteil dieser Implantate ist die knochensparende Implantationstechnik am Femur sowie erforderlichenfalls die leichtere Wechsel-Operation. Auf der Pfannenseite ändert sich durch diesen Prothesentyp nichts. Ob die Lockerungsraten langfristig an die der etablierten Langschäfte heranreichen werden, bleibt allerdings noch abzuwarten.
Kappenprothesen haben vor einigen Jahren eine enorme Popularität erfahren, weil sie als extrem luxationssicher und noch knochensparender als die Kurzschaftprothesen beworben wurden. Der vielerorts geschürten Euphorie folgte – leider erst mit einigen Jahren Verzögerung – die Ernüchterung: Quietschen und Probleme mit Metall-Abrieb aufgrund der Metall-Metall-Gleitpaarung („Die giftige Hüfte“), Synovial-Tumore, Schenkelhalsfrakturen und unnötig großer Knochenverlust auf der problematischen Pfannenseite wegen zu großer Pfannenfräsungen durch die Vorgabe der Kappengröße. All dies relativiert die o. g. Vorteile so stark, dass die Kappenprothese inzwischen eher ein Nischen-Dasein führt.
Eine der wichtigsten Innovationen der letzten Jahre bezieht sich weniger auf das Implantat selbst als auf die Art und Weise, wie es eingebracht wird. Unter dem Begriff minimalinvasive Operation werden verschiedene Methoden subsummiert, deren Gemeinsamkeit in der Gewebe-, hierbei v. a. Muskelschonung und den vergleichsweise kurzen Inzisionen liegt. Durch die reduzierte Traumatisierung des aktiven Bewegungsapparates sind so operierte Patienten in der Lage, die Nachbehandlung schneller und mit weniger Schmerzen zu absolvieren. Der Autor dieses Artikels hat persönlich große Erfahrung mit dem minimal-invasiven, antero-lateralen Zugang nach Röttinger, welcher es den Patienten in der Regel ermöglicht, schon nach 2 Tagen die ersten Schritte ohne Gehstützen zu gehen.
Eine der meistgefürchteten Komplikationen der Hüft- Endoprothetik ist die Luxation. Daher werden den Patienten Empfehlungen an die Hand gegeben, welche kritischen Bewegungen sie (vorübergehend) meiden sollten. Durch die Verwendung etwas größerer Kopfdurchmesser, die Möglichkeit, den vorbestehenden Schenkelhals-Winkel durch das Implantat nachzuahmen, eine optimale Positionierung der Implantate und die Schonung der Muskulatur ist die Luxationsgefahr aber de facto heute nur noch äußerst gering.
Coxarthrose prae-OP Hüft-TEP zementfrei Hüft-TEP zementiert
Die klassische Indikation für die monokondyläre Knieprothese, häufig auch Schlittenprothese genannt, ist der unikompartimentelle Verschleiß des Gelenkes, in aller Regel des medialen Kompartimentes. Die klinischen Ergebnisse bei lateraler Gonarthrose sind aufgrund der Kniekinematik deutlich schlechter. Liegen auch in den übrigen Gelenkabschnitten bereits fortgeschrittene Knorpelschäden vor, hat der Patient eine zu große Abweichung von der natürlichen Beinachse (Genu varum) oder bestehen höhergradige Bandinstabilitäten, sollte keine Schlittenprothese implantiert werden. Minimal-invasive Techniken erlauben die Implantation der Prothesenkomponenten mit sehr geringem Weichteiltrauma. In aller Regel werden sowohl die femorale als auch die tibiale Komponente mit Palacos (Knochenzement) fixiert. Der unikondyläre Schlitten beeinflusst die Kinematik des Kniegelenkes nur geringfügig. Das ermöglicht eine schnelle Mobilisation des Patienten. Die Beweglichkeit ist meist besser als nach konventioneller Knie-TEP. Insgesamt gilt die Implantation eines unikondylären Schlittens als sehr anspruchsvolle Operation, die jedoch gerade bei jüngeren Patienten (55–65 Jahre) exzellente klinische Ergebnisse zeigt.
Bei fortgeschrittenem Gelenkverschleiß insbesondere mehrerer Gelenkkompartimente und suffizienter Bandstabilität ist der bikondyläre Gelenkersatz indiziert. Verbesserungen des Prothesendesigns haben dazu geführt, dass bei modernen Knieprothesen möglichst viele der natürlichen Strukturen erhalten bleiben und so lediglich die verschlissenen Gelenkflächen überkront werden. Durch ein vielfältiges Angebot an Prothesenmodellen, u. a. auch geschlechtsspezifischen Modellen, haben sich Individualprothesen nicht durchsetzen können. Aufgrund der hohen Primärstabilität und geringer Lockerungsrate werden in aller Regel beide Prothesenkomponenten einzementiert. Nach Implantation einer Knieprothese kann der Patient ein schmerzfreies oder zumindest schmerzarmes, im Alltagsleben gut belastbares Kniegelenk erwarten. In den ersten Monaten besteht häufig ein vermehrtes Spannungsgefühl, meist gepaart mit einer Überwärmung des Gelenkes. Häufig verbleibt eine Beugeeinschränkung gegenüber der physiologischen Beugefähigkeit, die aber nur selten als einschränkend empfunden wird. Die Standzeiten nach bikondylärem Oberflächenersatz liegen bei ca. 20 Jahren.
Kann durch einen Oberflächenersatz keine ausreichende Bandbalancierung des Kniegelenks erreicht werden, muss ein achsgekoppeltes System verwendet werden. Diese Implantate erlauben durch eine mehr oder weniger starre Kopplung zwischen Tibia- und Femurkomponente den vollständigen Verzicht von ligamentären Strukturen (Kollateralund Kreuzbänder). Je starrer die Führung durch eine derartige Kopplung ist, desto mehr Kräfte werden auf die Komponenten und deren Verankerung im Knochen übertragen, was zu einer insgesamt höheren Lockerungsrate und kürzerer Standzeit im Vergleich zum Oberflächenersatz führt. Typische Indikationen für eine achsgeführte Prothese ergeben sich vor allem im Rahmen von Prothesenwechsel-Operationen oder bei starker Varus- bzw. Valgus-Deformität. Da es sich in beiden Fällen oft um ältere Patienten handelt, die meist einen nur noch eingeschränkten funktionellen Anspruch an den Gelenkersatz stellen, kann die Implantation einer achsgeführten TEP hier sehr gute Dienste erweisen.
Im Bereich der Schulterendoprothetik ist es in den letzten Jahren Dank der Entwicklung neuer Prothesentypen und der Verbesserung des Designs zu enormen Fortschritten gekommen. Waren früher die klinischen Ergebnisse nach Gelenkersatz an der Schulter eher mäßig, zeigen sich inzwischen hervorragende Resultate. Die Standzeiten von Schulterprothesen liegen heute annähernd im Bereich derer von Hüft- und Knieendoprothesen. Die hohe Patientenzufriedenheit spiegelt sich unter anderem auch in den deutlich steigenden Operationszahlen wider. Das Spektrum der Indikationen zum Schultergelenksersatz reicht von der klassischen Omarthrose über komplexe Humeruskopffrakturen, posttraumatisch verursachte Gelenkdefekte, instabilitätsassoziierte Omarthrosen bis hin zu rheumatischen oder tumorösen Gelenkdefekten. Je nach Indikation erfolgt die Versorgung mit einer Hemiprothese, d. h. es wird nur der verschlissene Humeruskopf ersetzt, einer anatomischen Totalendoprothese, bei der Kopf und Pfanne ersetzt werden, oder einer Inversen Totalendoprothese, deren biomechanisches Prinzip auf der Artikulation eines konvexen Glenoidkörpers (Glenosphäre) mit einem konkaven Gelenkpartner am Humerus beruht.
Die Indikation zur Implantation einer Schulterhemiprothese, d. h. ein Ersatz des Humeruskopfes, ohne dass die Gelenkpfanne ersetzt wird, besteht bei fortgeschrittener Schädigung des Humeruskopfes und relativ guten Pfannenverhältnissen wie z. B. bei Humeruskopfnekrose, frühem Stadium der Omarthrose, ohne dass eine Dezentrierung des Humeruskopfes vorliegt, oder nach fehlverheilter Humeruskopffraktur.
Die Kappenprothese ist ein reiner Oberflächenersatz des Humeruskopfes, bei dem die verschlissene Gelenkfläche mit einer Metallkappe überkront wird. Der Vorteil dieses reinen „resurfacing“ besteht darin, dass eine maximale Menge an Eigenknochen belassen wird, was für eine eventuelle spätere Revision ideal ist. Die Verankerung dieser Prothesen erfolgt in der Regel zementfrei. Der Name erinnert an die Kappenprothese an der Hüfte, die aber ein völlig anderes Grundprinzip, nämlich das der hoch-problematischen Metall- Metall-Gleitpaarung, verfolgt. Schultern, die nach Implantation dieses Prothesentyps eine gute Zentrierung erzielen, zeigen mit dieser defensivsten aller Schulter-Prothesen oft dauerhaft sehr gute funktionelle Resultate.
Bei der schaftfreien Hemiprothese wird wie bei einer Stielprothese eine Kopfresektion in Höhe des anatomischen Halses durchgeführt, wobei nachfolgend die Verankerung des neuen Kopfes nicht gestielt im Schaft, sondern nur in der Epiphyse, also dem proximalsten Anteil des Humerus erfolgt. Vorteile dieser Methode sind die anatomische Rekonstruktion der ursprünglichen Gelenk-Kinematik sowie die guten Rückzugsmöglichkeiten für den Fall einer Revision. Die Stemless-Prothese ist auch als Totalendoprothese, d. h. mit gleichzeitigem Pfannenersatz, implantierbar. Wichtig für die Implantation einer solchen Prothese ist eine gute Knochensubstanz im proximalen Humerus. Dann zeigen sich bisher keine anderen Lockerungsraten als mit den klassischen Stielprothesen.
Die Indikation zur Stielprothese als Hemiprothesen besteht in Fällen bei denen infolge schlechter Knochenqualität oder im Rahmen von Frakturen eine Kopfprothese nicht mehr primär stabil verankert werden kann. Somit spielt dieser – zum Beginn der Schulterendoprothetik fast ausschließlich benutzte – Prothesentyp heute nur noch eine Nebenrolle.
Bei einer Totalendoprothese wird auch die glenoidseitige Gelenkfläche ersetzt. In den letzten Jahren besteht ein klarer Trend hin zum Pfannenersatz, da in Situationen mit deutlichem Pfannenverschleiß hiermit noch bessere funktionelle Ergebnisse erzielt werden können als mit Hemiprothesen. Da die implantierten Pfannen etwas frühere Lockerungen zeigen als die Kopfkomponenten, liegt die Indikation eher im höheren Lebensalter. Besteht die Omarthrose über längere Zeit, kommt es häufig zu einem mehr oder minder deutlichen dorsalen Abrieb der Gelenkpfanne mit konsekutiver dorsaler Subluxation des Humeruskopfes. Diese Form der Omarthrose bezeichnet man als exzentrische Omarthrose. Bei Vorliegen einer exzentrischen Omarthrose ist immer die Implantation einer Totalendoprothese indiziert, um das Gelenk wieder zu „re-zentrieren“.
Bei intakter Rotatorenmanschette werden sogenannte anatomische Implantate eingesetzt. Die nunmehr 4. Generation der Schulterprothesen kann durch ihre Modularität die ursprüngliche Gelenkanatomie perfekt nachahmen und ermöglicht zudem einen Wechsel von verschlissenen Einzelkomponenten. Auch das Design der neuen Gelenkpfannen hat sich im Vergleich zu den früheren Generationen deutlich gewandelt. Frühere Generationen wiesen den gleichen Krümmungsradius wie der Prothesenkopf auf. Durch exzentrische Glenoidbelastungen kam es gehäuft zu frühzeitigen Pfannenlockerungen („Rocking-Horse-Phänomen“). Um diese exzentrischen Belastungen zu vermeiden, wurden Gelenkpfannen entwickelt, deren Radius größer ist als der dazu passende Prothesenkopf, was wir als „mismatch“ bezeichnen. Studien zeigen, dass Totalprothesen bezüglich der Funktion und der Schmerzfreiheit exzellente Ergebnisse liefern.
Inverse Schulterprothesen, deren Entwicklung in den 80er- Jahren begann, zeigen eine Umkehrung der normalen anatomischen Verhältnisse. Statt eines konvexen Oberarmkopfes weist die inverse Schulterprothese oberarmseitig eine konkave Form und statt einer konkaven Pfanne glenoidseitig eine annähernd halbkugelige Form (Glenosphäre) auf. Hierdurch wird das Drehzentrum des Gelenkes nach medial verlagert und die Kraftübertragung erfolgt fast ausschließlich über den Musculus deltoideus (siehe Schema unten). Die Hauptindikation stellt dementsprechend die fortgeschrittene Defektarthropathie mit irreparabler Ruptur der Rotatorenmanschette dar. Die inversen Prothesen sind in den letzten Jahren das sich am schnellsten entwickelnde Segment in der Schulterendoprothetik. Grund dafür sind die – entgegen vielen Befürchtungen – exzellenten 10-Jahres- Ergebnisse, die inzwischen vorliegen. Technische Neuerungen führen zu guten bis sehr guten klinischen Ergebnissen, d. h. zu einer sehr guten Schmerzlinderung und einer sehr guten funktionellen Verbesserung, insbesondere in Fällen, in denen bisher eine Hemiprothese oder eine anatomische Schulterprothese nur schlechte Ergebnisse erzielen konnten. Die Designverbesserungen der inversen Prothesen und die Behebung des vormals kritischen „Notching“-Phänomens führen zudem zu einer niedrigen Lockerungs- und Revisionsrate.
Aufgrund immer besserer klinischer Ergebnisse nach Gelenkendoprothesen und dem zunehmenden Anspruch unserer Patienten, auch im reiferen Alter noch sportlich aktiv zu sein, wird uns Ärzten und Therapeuten immer häufiger die Frage gestellt: „Kann ich mit meiner Prothese auch Sport treiben?“ Die nachfolgenden dargestellten Fakten sollen Ihnen helfen, Ihrem Patienten diese Frage fundiert zu beantworten.
Bei verschiedenen Alltagsbewegungen und Aktivitäten sind die Kräfte, die im Schultergelenk einwirken, vergleichsweise gering. Die maximale Kompressionskraft im Schultergelenk bei Alltagsaktivitäten entspricht etwa dem 0,5-Fachen des Körpergewichts. Im Kniegelenk dagegen treten beim Treppabgehen Kräfte auf, die dem 6- bis 8-Fachen des Körpergewichts entsprechen. Dennoch sollte Patienten geraten werden, nach Schulterendoprothesen eher zurückhaltend mit schulterbelastenden Sportarten zu sein. Trotz der verbesserten biomechanischen und tribologischen Eigenschaften moderner Prothesen kann eine zu intensive sportliche Belastung zur frühzeitigen Lockerung insbesondere der Glenoidkomponente führen.
Die amerikanische Gesellschaft für Schulter- und Ellbogenchirurgie empfiehlt Sportarten mit geringer Belastung der oberen Extremität und niedrigem Unfallrisiko. Dazu zählen Joggen, Schwimmen, Radfahren, Kegeln, Tanzen und Low- Impact-Aerobic bzw. -Gymnastik. Erlaubt ist auch Skifahren und Golf, wenn bereits Vorerfahrungen in dieser Sportart bestehen. Nicht empfohlen sind Tennis und Volleyball. Jensen und Rockwood untersuchten 24 Patienten, die präoperativ Golf spielten, nach und fanden heraus, dass nach Implantation einer Schulterendoprothese über 90 % nach durchschnittlich 4,5 Monaten wieder auf dem gleichen Niveau spielen konnten, wobei teilweise sogar das Handicap gesenkt werden konnte. Dabei zeigte sich radiologisch keine erhöhte Lockerungsrate. (J Shoulder Elbow Surg)
Mehr als nach anderen Prothesen verbleibt nach Implantation einer Knieendoprothese oft ein nicht unerhebliches Funktionsdefizit. Die Erwartungen des Patienten, ein bestimmtes Leistungsniveau nach der Operation wieder zu erreichen, müssen relativiert werden. Limitierende Faktoren sind u. a. die oft eingeschränkte Flexion, der Verlust an Propriozeption, Veränderungen am Bandapparat und eine schlechtere muskuläre Koordination.
Es braucht also für sportlich ambitionierte Patienten Verhaltensempfehlungen, um eine Überlastung des Polyethylens mit vermehrtem Abrieb oder eine Lockerung der Implantat- Knochenverbindung zu vermeiden: Eine Wiederaufnahme der sportlichen Betätigung ist frühestens 6 Monate postoperativ erlaubt. Es sollten vorrangig Sportarten betrieben werden, die schon vor der Operation beherrscht wurden, vor allem bei für das Kniegelenk komplexen Belastungen. Die Häufigkeit der Sportausübung ist der reduzierten Belastbarkeit des Kunstgelenkes anzupassen.
Spazierengehen, Radfahren, Schwimmen (Brustschwimmen sollte vermieden werden), Wandern (Bergabgehen entweder meiden oder 2 Stöcke nutzen), Nordic Walking, Golf, Rudern
Joggen (nur auf weichem, elastischem Untergrund mit optimalem Schuhwerk, kurze Schrittlänge), Skilanglauf (ohne steile Abfahrten, kein Skating), Fitnesstraining, Gymnastik, Tanz, Tennis (mit reduzierter Ambition, eher Doppel als Einzel, Sand- oder Granulatboden, keine rutschfesten Bodenbeläge)
Sportarten mit hohem Verletzungsrisiko (Kampf- und Kontaktsportarten) oder hoher Sturzgefahr (Ski alpin, Rollerblading oder Eislaufen), Fußball, Volleyball, Handball und andere Stop-and-go-Sportarten
Nach der Implantation einer Hüftprothese erreichen die meisten Patienten sehr rasch wieder ein vorher undenkbares Aktivitätsniveau im Alltag. Nach 2–3 Monaten stellt sich beim sportlich Interessierten häufig bereits die Frage nach einem möglichen sportlichen Wiederbeginn.
Die empfohlenen Sportarten unterscheiden sich nicht grundsätzlich von denen, die mit einer Knie-Endoprothese möglich sind (s. o.).
Der Zeitpunkt des Wiedereinstiegs hängt im Wesentlichen von 2 Faktoren ab:
Zunächst geht man davon aus, dass es in den ersten 3–6 Monaten nach der Operation zur Bildung einer Neo-Kapsel um das Gelenk kommt. Daher braucht es in dieser Zeit besonderes Augenmerk auf die Vermeidung schwungvoller Bewegungen in die luxationskritischen Bewegungsrichtungen – beispielsweise bei gymnastischen Übungen.
Der zweite wichtige Punkt betrifft die gelenkführende und beckenstabilisierende Muskulatur, welche in sehr unterschiedlichem Maße vor einer Operation beeinträchtigt sein kann. Hierbei wirken sich minimal-invasive OP-Techniken sehr vorteilhaft aus. Bewegungen, die mit einer ermüdeten oder unkoordinierten Muskulatur ausgeführt werden, belasten eine Prothese übermäßig. Daher ist ein gezielter Ausgleich solcher Defizite wichtig, bevor ein sportartspezifisches Training begonnen wird.