Synonyme: Schulterengesyndrom, subacromiales Engesyndrom, Periarthritis humeri-scapularis (PHS)
Die Zahl der Menschen, die unter Schulterbeschwerden leiden und einen Arzt oder Therapeuten aufsuchen, wird immer größer. Zum einen ist sicherlich der verständliche Anspruch, auch im reiferen Alter beschwerdefrei aktiv sein zu können, hierfür verantwortlich. Aber auch die eigentlich begrüßenswerte vermehrte sportliche Aktivität in unserer Gesellschaft führt vermehrt zu Schulterbeschwerden. Plakativ wird schon von der „neuen Volkskrankheit Schulterschmerz“ gesprochen. Nachfolgend möchten wir Ihnen „aus der Praxis für die Praxis“ eine Übersicht über die häufigste Ursache für Schulterschmerzen, das IMPINGEMENT-SYNDROM, geben. Wir hoffen, durch unsere praxisnahen Informationen Ihre tägliche Arbeit effektiv zu unterstützen. Natürlich gilt differenzialdiagnostisch zu beachten, dass neben dem Impingement- Syndrom zahlreiche andere Ursachen wie z. B. internistische Erkrankungen (KHK, Leber, Bronchial-CA etc.) oder neurogene Erkrankungen (zervikaler Bandscheibenprolaps, Neoplasmen etc.) für Schulterschmerzen verantwortlich sein können.
Als Impingement-Syndrom der Schulter bezeichnet man eine schmerzhafte Reizung und Degeneration von Sehnen und Schleimbeuteln aufgrund einer anatomischen Enge im Schultergelenk. Diese Enge tritt durch das „Anschlagen“ des Humeruskopfes (engl.: „to impinge“) am Akromion auf. Hierdurch kommt es zu einer vermehrten Friktionsbelastung und damit zu einer Reizung der Rotatorenmanschette, insbesondere der Supraspinatussehne und der Bursa subacromialis. Die Erkrankung tritt häufig infolge vermehrter „Überkopf-Aktivitäten“ auf, beispielsweise im Sport beim Tennis, Werfen oder Volleyball oder im Beruf bei Handwerkern, z. B. Malern. Das Impingement nimmt aber auch im Alter aufgrund von Degenerationsprozessen zu.
Die Schulter ist das beweglichste, somit aber auch das instabilste Gelenk des Menschen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Gelenken wird die Stabilität der Schulter nicht primär durch die knöchernen Gelenkpartner, sondern durch Bänder, Gelenkkapsel und die Muskulatur gewährleistet. Durch die komplexen Weichteilverhältnisse des Schultergelenkes, insbesondere der Sehnenansätze am Humeruskopf der sogenannten Rotatorenmanschette (M. supraspinatus, M. infraspinatus, M. teres minor, M. subscapularis) sind diese jedoch auch sehr anfällig für Schädigungen im Sinne chronischer Reizungen oder Degeneration. Für die Bewegung des seitlichen Hebens des Arms über 90°, welche beim Impingement-Syndrom meistens schmerzhaft ist, ist hauptsächlich der M. supraspinatus verantwortlich. Der Raum am Schultergelenk, in dem die Supraspinatussehne beim Heben des Armes gleitet, ist durch das Schulterdach (Acromion und Lig. coraco-acromiale) sehr limitiert. Durch Überlastung kann es zu einer akuten Sehnenreizung (Tendinitis) oder chronischen Sehnenreizung (Tendinose) kommen. Häufig tritt eine begleitende Bursitis auf. Durch eine angeborene ungünstige Formgebung des Schulterdaches (Hakenacromion Typ II und III nach Bigliani) nimmt die Inzidenz des subacromialen Impingement-Syndroms deutlich zu. Zudem disponieren altersbedingte Degenerationsprozesse, wie z. B. eine Verknöcherung des Lig. coracoacromiale, zum Impingement. Ein weiterer Grund für das Schulter-Impingement können Kalkablagerungen in der Rotatorenmanschette sein (Tendinosis calcarea). Eine dauerhafte Reizung der Sehnen führt zur Sehnendegeneration und disponiert somit letztendlich zum Sehnenriss (degenerative Rotatorenmanschetten-Ruptur). Zudem führen chronische Schulterschmerzen zu Funktionsstörungen des gesamten Schultergürtels. Typische funktionelle Störungen sind muskuläre Dysbalancen, insbesondere eine Atrophie der Schultergürtelmuskulatur und Verspannungen im Bereich der autochtonen Rückenmuskulatur und des M. trapezius.
Anamnestisch klagt der Patient meist über Schmerzen in der Schulter und im proximalen Oberarm beim seitlichen Heben des Arms über 90°. Besonders ausgeprägt sind die Schmerzen bei abrupten Bewegungen oder unter Belastung, z. B. dem Heben von Gegenständen über Kopfhöhe. Häufig werden aber auch von Belastung unabhängige Schmerzen, insbesondere nächtliche Schmerzen, angegeben.
Inspektorisch ist die Schulter in aller Regel wenig auffällig. Passiv ist die Schulter meist frei beweglich (Flexion 170°, Abduktion 90°, Innenrotation/Außenrotation 70 / 0 / 90°). Die Funktionstests painful-arc, Hawkins- und Jobe-Test sind meist deutlich positiv, d. h. schmerzhaft. Bei diesen Impingement-Tests werden Rotatorenmanschette und Schleimbeutel zwischen Humeruskopf und Akromion komprimiert, was bei vorliegendem Reizzustand oder Schaden schmerzhaft ist. Zur Untersuchung der Schulter gehört obligat eine orientierende Bewegungs- und Funktionsprüfung der Halswirbelsäule nebst orientierender Erhebung des neurologischen Status der oberen Extremitäten (Sensibilitätsprüfung, Muskeleigenreflexe, grobe Kraft), um auszuschließen, dass hier die Ursache des Schulterschmerzes liegt.
Ultraschall: zur Beurteilung der Bursa subacromialis und der Rotatorenmanschette, Evaluation eines eventuellen Gelenkergusses. Röntgen: Schulter in drei Ebenen (ap/aro, ap/iro, outletview/ Y-Aufnahme) zur Beurteilung der knöchernen Verhältnisse (Hakenacromion, Arthrose, Tendinosis calcarea). MRT: umfassende Informationen zu allen knöchernen und Weichteilstrukturen des Gelenks, insbesondere bei Verdacht auf Rotatorenmanschettenruptur und zur Beurteilung des Entzündungszustands
Grundsätzlich gilt für das Impingement-Syndrom, dass die Behandlungschancen für den Patienten umso besser sind, je früher mit der Behandlung begonnen wird. Die primäre Therapie sollte konservativ erfolgen. Nach erfolgloser 3 bis 4 Monate dauernder konservativer Therapie sollte die Indikation für eine operative Therapie überprüft werden.
Als wichtigste Maßnahme sollte versucht werden, die Ursache, d. h. schmerzauslösende, belastende Bewegungen der Schulter, zu vermeiden. Das bedeutet eine Pause von die Schulter belastendem Sport und entsprechend auch Meidung von berufsbedingten, die Schulter belastenden Bewegungen.
Als medikamentöse Basistherapie ist der Einsatz von oralen NSARs empfehlenswert (z. B. Diclofenac 2 x 75 mg/d oder Ibuprofen 3 x 600 mg/d über 2 bis 3 Wochen). Eine Alternative ist eine lokale Infiltrationsbehandlung des Subacromialraums, d. h. Injektionen peritendinös in die Bursa subacromialis: in der Akutphase z. B. Triamcinolon 10 mg und Dexamethason 4 mg auf 10 ml Bupivacain 0,5 % (Cave bei Cortikoiden: Abstand zwischen zwei Injektionen mindestens 4 Wochen, insgesamt nicht mehr als 3 Wiederholungen!). Bei chronischem Verlauf ggf. 1 Amp. Traumeel auf 10 ml Bupivacain 0,5 % 6-mal im wöchentlichen Abstand. Bezüglich Gelenkinjektionen möchten wir auf die Empfehlung der deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) verweisen.
Durch Krankengymnastik sollen muskuläre Dysbalancen ausgeglichen und versucht werden, einen entlastenden subacromialen Raumgewinn im Bereich der Schulter zu erzielen. Hierzu muss die den Humeruskopf aszendierende Muskulatur (M. supraspinatus, M. deltoideus) detonisiert und die den Humeruskopf deszendierende Muskulatur (Außenrotatoren: M. infraspinatus, M. teres minor; Innenrotatoren: M. subscapularis) gekräftigt werden. Hilfreich und effizient ist es, wenn der Patient hierzu zum selbstständigen Üben angeleitet wird. Durch lokal den Stoffwechsel aktivierende Maßnahmen wie Querfriktionen, Ultraschall, Elektro- oder Kryotherapie kann der Regenerationsprozess des Sehnengewebes gefördert werden.
Die Stoßwellentherapie ist bei chronisch schmerzhaften Sehnenansatzreizungen eine alternative Behandlungsmöglichkeit, insbesondere dann, wenn klassische konservative Therapiemaßnahmen wie Medikamente, Physiotherapie etc. nicht zu einer dauerhaften Beschwerdefreiheit führen. Durch die Behandlung mit der fokussierten Stoßwellentherapie wird im Bereich der Sehnenschädigung eine erhöhte Stoffwechselaktivität induziert. Durch den verbesserten Stoffwechsel des ansonsten bradytrophen Sehnengewebes soll die natürliche Regenerationsfähigkeit gesteigert werden. In aller Regel erfolgen drei Behandlungen im Abstand einer Woche, wobei jeweils 2.000 bis 2.500 Impulse mit einer Frequenz von ca. 7 Hertz appliziert werden.
Persistieren die Schulterbeschwerden trotz konservativer Therapie über 3 bis 4 Monate oder kommt es zu rezidivierenden, belastungsabhängigen Beschwerden, sollten operative Maßnahmen erwogen werden. Hierdurch kann das Impingement-Syndrom kausal therapiert und einem chronischen Sehnenschaden, ggf. auch einer drohenden Rotatorenmanschettenruptur vorgebeugt werden. Einen solchen operativen Eingriff bezeichnet man als „subacromiale Dekompression“. Er sollte heute nur noch arthroskopisch durchgeführt werden, da eine offene Operation zu viele Kollateralschäden hervorruft, risikoreicher ist und den postoperativen Heilungsverlauf deutlich verzögert. Eine arthroskopische subacromiale Dekompression kann stationär (1 bis 2 Nächte) oder ggf. auch ambulant erfolgen.
In Allgemeinanästhesie wird über zwei kleine Portale zunächst die verdickte, chronisch entzündete Bursa subacromialis reseziert und dann der eingeengte subakromiale Raum erweitert, indem der anteriore Unterrand des Acromions abgetragen wird. Befundabhängig wird zusätzlich das verdickte Lig. coracoacromiale abgelöst und ggf. partiell reseziert. Bei einer Einengung des Subacromialraums durch ein arthrotisch verdicktes Acromio-Clavicular-Gelenk (ACG) wird dieses zusätzlich bearbeitet. Bei einer chronisch degenerierten Rotatorenmanschette erfolgt ggf. zusätzlich ein „needeling“ der Sehnen. Durch diese iatrogene Mikrotraumatisierung werden Regenerationsprozesse an der Sehne induziert. Bei oberflächlichen Sehnenschäden werden die Sehnen geglättet. Finden sich Verkalkungsherde in der Rotatorenmanschette (Tendinosis calcarea), wird die Verkalkung zusätzlich entfernt. Postoperativ muss der Arm die ersten 4–6 Wochen geschont werden. Eine Ruhigstellung, wie früher bei den offenen OPTechniken, ist aber nicht erforderlich. Begleitend sollten physiotherapeutische Behandlungen erfolgen. Insbesondere kann durch Krankengymnastik die Schulter frühzeitig passiv mobilisiert werden und in der zweiten Phase durch Koordinations-, Propriozeptions- und Krafttraining an die volle sportliche Belastungsfähigkeit wieder herangeführt werden. Bei richtiger Indikation zeigt die arthroskopische subacromiale Dekompression durch einen erfahrenen Operateur hervorragende Ergebnisse. Durch die arthroskopische Vorgehensweise ist das OP-Risiko (Infekt, Wundheilungsstörung etc.) sehr gering. Am Rande sei zudem der kosmetische Vorteil bei nur wenige Millimeter kleinen Schnitten erwähnt. Besonders bemerkenswert ist, dass die Schmerzhaftigkeit nach arthroskopischen Operationen deutlich reduziert und die Mobilisierung des Patienten erheblich früher, d. h. unmittelbar post operationem möglich ist. Die Arbeitsfähigkeit für nicht die Schulter belastende Berufe wird in aller Regel nach 1 bis 2 Wochen erreicht. Volle Sportfähigkeit besteht in Abhängigkeit vom intra-operativen Befund meist nach 6 bis 10 Wochen.
Schmerz in der Schulter ist nur ein Symptom, deshalb ist es wichtig, neben dem sicherlich hierfür am häufigsten verantwortlichen Impingement-Syndrom an andere, seltenere Ursachen für Schulterschmerzen zu denken und ggf. danach zu forschen. Im internistischen Bereich kommen differenzialdiagnostisch insbesondere koronare Herzerkrankungen, Lebererkrankungen, Bronchial-Ca, Lymphome oder sonstige Neoplasmen in Betracht. Andere Ursachen für Schulterschmerzen können zudem ein zervikaler Bandscheibenprolaps, Neuritiden oder funktionelle Störungen, z. B. Verspannungszustände der Hals-Nackenregion, sein.
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Intraartikuläre Injektionen oder Punktionen sowie sehnennahe Infiltrationen sind ein wichtiger Bestandteil orthopädischen Arbeitens, sei es zur differenzialdiagnostischen Abklärung oder zur Therapie. Die richtige Technik ist dabei ausschlaggebend. Wir möchten Ihnen eine in unserer täglichen Arbeit häufig durchgeführte Injektionstechnik für die sehnennahe, subacromiale Infiltration an der Schulter zur medikamentösen Behandlung des Impingement-Syndroms darstellen.
Bei allen Infiltrationen muss der Patient über potenzielle Risiken und mögliche Komplikationen intraartikulärer Injektionen aufgeklärt werden. Die Aufklärung sollte in der Patientendatei dokumentiert werden. Eine schriftliche Einverständniserklärung ist nicht erforderlich. Das Injektionsgebiet sollte weiträumig von Kleidung befreit sein und ggf. sollten längere Haare mit einer Schere gekürzt werden. Es muss eine sorgsame, großflächige Sprüh-Desinfektion durchgeführt werden (Einwirkzeit des verwendeten Hautdesinfektionsmittels beachten!). Das Tragen von sterilen Handschuhen und Mundschutz ist nur dann zwingend erforderlich, wenn es bei der Injektionsbehandlung zu einer Diskonnektion von Spritze und Kanüle kommt (z. B. bei Infiltration mehrerer Substanzen nacheinander oder bei Gelenkpunktion und nachfolgender Infiltration über die liegende Kanüle). Vor der Injektion muss ein Aspirationstest zur Vermeidung einer intravasalen Injektion erfolgen.
Der sitzende Patient lässt den Arm herabhängen und rotiert ihn nach außen.
Palpation des dorso-lateralen Acromionrandes, der als Leitstruktur dient, mit der freien Hand. Die Injektionsnadel (20–23 G, Länge 40–70 mm) wird von dorsal, etwa 1,5 cm distal und 1,5 cm medial des inferioren dorso-lateralen Acromionecks in einem Winkel von etwa 30° nach ventral cranial in eine Tiefe von ca. 5 cm vorgeschoben. Nach Aspirationstest erfolgt die Infiltration (Volumen 5 bis 10 ml).