Jährlich erhalten über 180.000 Menschen allein in Deutschland ein künstliches Kniegelenk – eine Zahl, die jährlich steigt. Gleichzeitig steigen die Ansprüche der Patienten an das „Ersatzteil“, denn die Menschen werden heute nicht nur immer älter, sie sind auch länger aktiv und wollen sich nicht in ihrer Mobilität einschränken lassen. Der endoprothetische Gelenkersatz zählt zweifellos zu den wichtigsten und erfolgreichsten chirurgischen Therapien der zurückliegenden Jahrzehnte. Fortschritte im Design der Gelenkprothesen als auch der OP-Techniken ermöglichen heute eine individuelle, auf die vorhandenen Bedürfnisse des Patienten zugeschnittene Behandlung der Gonarthrose. Wir möchten Ihnen nachfolgend eine praxisrelevante Übersicht zum Thema Endoprothetik des Kniegelenks geben.
Der endoprothetische Gelenkersatz bei Arthrose des Kniegelenks nimmt in Deutschland in den letzten Jahren stetig zu. Experten sind sich einig, dass der Anstieg sicherlich Folge der demografischen Entwicklung in Deutschland, aber auch ein klarer Indikator für die zunehmende Qualität der Versorgung sowie die Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitssystems ist. Den Anstieg primär als Folge einer pekuniär induzierten, unkritischen Operationswut darzustellen, wie dies in letzter Zeit in den Medien allzu häufig und sehr populistisch geschah, ist sicherlich unrichtig. Es verunsichert leider viele Patienten, die von solch einem Eingriff profitieren würden.
Um die positiven Ergebnisse nach Gelenkersatz weiter zu verbessern, muss die Indikation zum Gelenkersatz weiterhin kritisch geprüft werden. Die entscheidende Frage, die wir unseren Patienten beantworten müssen, lautet: „Wann ist der „richtige“ Zeitpunkt für einen Gelenkersatz?“
Vorrangig muss hierzu sicherlich die Lebensqualität des Patienten evaluiert werden. Wenn konservative Therapiemaßnahmen nicht dazu führen, dass der Patient, ggf. auch unter Inkaufnahme von leichten Beschwerden, die Aktivitäten, die ihm persönlich wichtig sind, schmerzarm durchführen kann, sollte eine Gelenkersatzoperation erwogen werden. Selbstverständlich ist vorausgesetzt, dass ein entsprechender Gelenkbefund vorliegt, d. h. eine radiologisch nachgewiesene fortgeschrittene Arthrose, die keine gelenkerhaltende operative Intervention erlaubt. Dies gilt umso mehr, wenn der Patient neben Belastungsschmerzen auch Ruhe- oder gar nächtliche Schmerzen hat und deshalb häufig auf Analgetika oder Antiphlogistika angewiesen ist.
Es gibt eine Reihe von Faktoren, die auf die Entscheidung pro oder contra Endoprothese Einfluss nehmen:
Bei einem älteren, ggf. polymorbiden Patienten müssen Operationsrisiko und „Aufwand/Nutzen aus Patientensicht“ berücksichtigt werden.
Es ist sicherlich richtig, dass schmerzfrei mobil sein umso wichtiger ist, je jünger ein Patient ist. Gerade für sehr junge Patienten muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Haltbarkeit von Prothesen mit durchschnittlich 15 bis 20 Jahren zwar recht lange, aber dennoch limitiert ist. Eine Prothesenwechsel-Operation ist grundsätzlich möglich, aber meist ein sehr komplexer Eingriff. Zudem sollte auch klar sein, dass nach künstlichem Gelenkersatz eine Rückkehr zu leistungsorientiertem Sport oder auch zu Stop-and-go Sportarten wie Fußball etc. nur sehr eingeschränkt empfohlen werden kann.
Es sollten sicherlich „keine Röntgenbilder operiert werden“, es ist aber auch wichtig, den richtigen Zeitpunkt für einen endoprothetischen Gelenkersatz nicht zu verpassen. Überschreitet bei progredienter Gonarthrose beispielsweise die Achsfehlstellung des Gelenkes ein gewisses Maß, kann statt eines Oberflächenersatzes nur eine achsgeführte Prothese implantiert werden. Diese zeigt jedoch in aller Regel postoperativ ein schlechteres funktionelles Ergebnis als ein Oberflächenersatz. Im übertragenen Sinne gilt dies für andere Gelenke gleichermaßen. Wenn ein gewisses Maß an Arthrose überschritten ist, ist ein minimalinvasiver oder auch anatomischer Gelenkersatz ggf. nicht mehr möglich und macht eine komplexere Operation notwendig.
Die Bestimmung des richtigen Zeitpunkts zum endoprothetischen Gelenkersatz ist eine wichtige ärztliche Aufgabe, die auf Basis von fundiertem medizinischen Wissen und dem Wissen um die individuellen Bedürfnisse und Erwartungen des Patienten getroffen werden muss.
Seit der Implantation des ersten einfachen Scharniergelenks aus Elfenbein im Jahr 1890 durch den Berliner Chirurgen Themistokles Gluck hat sich im Bereich der Knieendoprothetik sehr viel getan. Heute sorgen innovative Designs, ausgefeilte Herstellungstechniken und moderne Werkstoffe für eine immer bessere Beweglichkeit und eine lange Lebensdauer des künstlichen Gelenks. Zudem gibt es zahlreiche meist modulare Systeme, die individuelle Lösungen ermöglichen.
Ziel der modernen Kniegelenkersatzoperation ist es, nach Möglichkeit lediglich die verschlissenen Gelenkflächen zu ersetzen und intakte gesunde Anteile des Kniegelenks zu erhalten. Das Design der Prothesen hat sich in den letzten Jahren dahin entwickelt, nach Möglichkeit die verschlissenen Gelenkflächen zu „überkronen“. Ein künstliches Kniegelenk ist grundsätzlich dem natürlichen Gelenk nachempfunden. Es besteht aus einer metallenen Komponente, die die Kondylen des Femurs überkront, einer metallenen Auflage, die auf dem verschlissenen Tibia-Plateau fixiert ist, sowie einer dazwischenliegenden Gleitfläche aus Kunststoff (Polyethylen).
Knieendoprothesen gibt es für die unterschiedlichsten Krankheitsbilder und die unterschiedlichsten individuellen anatomischen Gegebenheiten der Patienten in verschiedenen Designs, Größen und Materialien. Je nach Modell kann das Implantat zementiert, d. h. mit einem Zwei-Komponenten- Klebstoff verankert oder zementfrei eingesetzt werden. Bei zementfreien Systemen soll die aufgeraute Titanrückfläche des Implantats mit dem Knochen verwachsen. Hierzu ist in aller Regel eine längere Entlastungsphase im Vergleich zu zementierten Prothesen notwendig. Dies und die Tatsache, dass eine erhöhte Lockerungsrate bei zementfrei implantierten Knieprothesen besteht, hat zur Folge, dass die allermeisten Knieendoprothesen heutzutage zementiert werden. Der Kniespezialist muss anhand des Krankheitsbildes und der individuellen Patientensituation über das optimale Modell und die entsprechende Operationsmethode entscheiden.
Unter der Prämisse, bei Arthrose nach Möglichkeit nur verschlissene Strukturen zu ersetzen und gesunde Strukturen zu erhalten, wurden sogenannte Teilprothesen entwickelt. Knie-Teilprothesen besitzen einen hohen Stellenwert in der Endoprothetik.
Wie der Begriff „monokondyläre Knieprothese“ impliziert, wird hierdurch nur eine, die verschlissene Kniekondyle, mit einer Prothese versorgt. Die klassische Indikation für die monokondyläre Knieprothese, häufig auch Schlittenprothese genannt, ist, wenn der Verschleiß ausschließlich die mediale bzw. laterale Seite des Kniegelenks betrifft. Die klinischen Ergebnisse nach monokondylären Knieprothesen sind für mediale Schlittenprothesen sehr gut. Bei lateralem Ersatz sind die Ergebnisse aufgrund der Kniekinematik deutlich schlechter. Nicht indiziert sind monokondyläre Knieprothesen bei höhergradigen Achsabweichungen, Bandinstabilitäten oder Knorpelschäden in anderen Kompartimenten.
Minimalinvasive Techniken erlauben die Implantation der Prothesenkomponenten mit einem recht geringen Weichteiltrauma. In aller Regel werden sowohl die femorale als auch die tibiale Gelenkkomponente mit Palacos (Knochenzement) fixiert. Dies ermöglicht eine schnelle Mobilisation des Patienten. Der unikondyläre Schlitten beeinflusst die physiologische Kinematik des Kniegelenkes nur geringfügig. Die Funktion, insbesondere die Beweglichkeit des Kniegelenks, ist dementsprechend meist hervorragend. Insgesamt gilt die Implantation eines unikondylären Schlittens als sehr anspruchsvolle Operation, die jedoch exzellente klinische Ergebnisse zeigt. Sie bietet sich insbesondere für relativ junge Patienten (bis 65 Jahre) an.
Bei isolierter Arthrose des retropatellaren Kompartiments und guten Knorpelverhältnissen des medialen und lateralen Kondylus besteht die Indikation für einen isolierten retropatellaren Ersatz. Diese Konstellation findet sich recht selten und somit ist die Implantationsrate retropatellarer Teilprothesen recht gering. Die klinischen Ergebnisse sind jedoch zufriedenstellend.
Bei fortgeschrittenem Verschleiß von mehr als einem Gelenkkompartiment ist ein Ersatz aller Kniekompartimente indiziert. Man spricht in solch einem Fall von Knie-Totalendoprothese oder Knie-TEP
Ziel des modernen Kniegelenkersatzes ist es, nach Möglichkeit lediglich die verschlissenen Gelenkflächen zu „überkronen“. Dies bedeutet, dass hierbei nur möglichst wenig Knochensubstanz verlorengeht und die verschlissen Gelenkflächen neue, d. h. künstliche Gleitflächen erhalten. Es besteht ein breitgefächertes Angebot von Prothesenmodellen, u. a. auch geschlechtsspezifische Modelle. Die Systeme sind modular aufgebaut und ermöglichen somit eine optimale individuelle Anpassung. Aufgrund der hohen Primärstabilität und geringer Lockerungsrate werden in aller Regel die Prothesenkomponenten einzementiert. Nach Implantation einer Knieprothese kann der Patient ein schmerzfreies oder zumindest schmerzarmes, im Alltagsleben gut belastbares Kniegelenk erwarten. In den ersten Monaten besteht häufig ein vermehrtes Spannungsgefühl meist gepaart mit einer Überwärmung des Gelenkes. Häufig verbleibt eine Beugeeinschränkung gegenüber der physiologischen Beugefähigkeit, die aber nur selten als einschränkend empfunden wird. Die Standzeiten nach bikondylärem Oberflächenersatz liegen bei ca. 20 Jahren.
Kann durch einen Oberflächenersatz keine ausreichende Stabilität des Kniegelenks erreicht werden, muss ein achsgekoppeltes Endoprothesensystem verwendet werden. Diese Systeme erlauben durch eine mehr oder weniger starre Kopplung zwischen Tibia- und Femurkomponente den vollständigen Verzicht von ligamentären Strukturen (Kollateral- und Kreuzbänder). Je starrer die Führung durch eine derartige Kopplung ist, desto mehr Kräfte werden auf die Komponenten und deren Verankerung im Knochen übertragen, was zu einer insgesamt höheren Lockerungsrate und kürzerer Standzeit im Vergleich zum Oberflächenersatz führt.
Typische Indikationen für eine achsgeführte Prothese ergeben sich vor allem im Rahmen von Prothesenwechseloperationen oder bei starker Varus- bzw. Valgus-Achsfehlstellung. Da es sich in beiden Fällen oft um ältere Patienten handelt, die meist einen nur noch eingeschränkten funktionellen Anspruch an den Gelenkersatz stellen, kann eine achsgeführten TEP hier sehr gute Dienste erweisen. Individual-Prothesen
Vor einigen Jahren sind individuell angefertigte Prothesen auf den Markt gekommen und von der Industrie beworben worden. Der Grundgedanke hierbei war, auf Basis einer CT-Untersuchung eine passgenaue Knieendoprothese für einzelnen Patienten herzustellen. Dieser grundsätzlich gut klingende Ansatz hat sich in der praktischen Anwendung jedoch häufig als tückisch erwiesen. Wenn sich intra-operativ nicht vorhersehbare Besonderheiten zeigen, fehlt bei einer Individual-Prothese jegliche Flexibilität. Das ist einer der Gründe, warum sich dieses Verfahren nicht durchsetzen konnte. Insbesondere aber auch deshalb nicht, weil gerade die konfektionierten Prothesensysteme in ihren Größen sehr fein abgestuft und modular aufgebaut sind, wodurch sich eine flexible und individuelle Anpassung auf jedwede Situation gegeben ist.
Die Implantation von Knie-Endoprothesen sollte durch versierte Gelenkspezialisten erfolgen. Eine ausführliche Aufklärung des Patienten über die Abläufe im Rahmen der Operation, über die postoperative Behandlung sowie das zu erwartende operative Ergebnis sind Grundvoraussetzung für eine hohe Patientenzufriedenheit.
Die Operation erfolgt meist in Vollnarkose in Kombination mit einer peripheren Leitungsanästhesie. Der Patient wird postoperativ frühzeitig mobilisiert. Eine Teilentlastung an zwei Unterarmgehstöcken ist meist für ca. 2 Wochen indiziert. Der Klinikaufenthalt beträgt ca.1 Woche. Danach sollte je nach Alter, Versorgungssituation und Wunsch des Patienten eine ca. 3-wöchige stationäre oder ambulante Reha erfolgen. Der weitere Heilungsverlauf wird idealerweise durch weitere individuelle physiotherapeutische Maßnahmen über ca. 3 Monate unterstützt.
Nach Implantation einer Knieprothese kann der Patient ein schmerzfreies oder zumindest schmerzarmes, gut bewegliches, stabiles Kniegelenk mit physiologischer Beinachse erwarten, das im Alltagsleben gut belastbar ist. Die möglichen Einschränkungen gegenüber einem natürlichen Kniegelenk in Bezug auf Funktion und Belastbarkeit richten sich selbstverständlich nach dem Prothesentyp, der in Abhängigkeit des Vorschadens implantiert wurde. Grundsätzlich gilt: Je weniger ersetzt werden musste, desto besser ist das funktionelle Ergebnis. In den ersten 6–12 Monaten nach der Operation besteht häufig ein vermehrtes Spannungsgefühl, meist gepaart mit einer Überwärmung des Gelenkes. Häufig verbleibt eine Beugeeinschränkung gegenüber der physiologischen Beugefähigkeit, die aber nur selten als einschränkend empfunden wird.
Die Lebensdauer von Prothesen – auch Standzeit genannt – liegt heute bereits bei ca. 15 bis 25 Jahren. Wie lange ein künstliches Gelenk tatsächlich im Einzelfall funktionsfähig bleibt, ist von verschiedenen Faktoren abhängig: vom eingesetzten Prothesentyp, der Verankerung, der Wahl der Gleitpartner, dem Gewicht und Alter der Patienten, dem Maß der körperlichen Aktivität oder möglichen Begleiterkrankungen des Patienten.
Grundsätzlich ist auch nach Implantation eines künstlichen Gelenkes Bewegung ganz wichtig. Selbstverständlich sind runde sanfte Bewegungen erheblich besser als ruckhafte Bewegungen. Sport ist grundsätzlich möglich, sollte aber mit dem Operateur individuell abgeklärt werden (siehe auch Rubrik: Aus der Praxis für die Praxis).
Aufgrund des zunehmenden Anspruchs unserer Patienten, auch im reiferen Alter noch sportlich aktiv sein zu wollen, wird uns Ärzten und Therapeuten immer häufi ger die Frage gestellt: „Kann ich mit meiner Knieprothese auch Sport machen?“ Die nachfolgenden dargestellten Fakten sollen Ihnen helfen, diese Frage Ihrem Patienten fundiert beantworten zu können.
Selbstverständlich ist das Ziel, dass der Patient nach Knie- TEP wieder schmerzfrei aktiv sein kann. Es besteht Konsens, dass auch die Wiederaufnahme sportlicher Aktivitäten grundsätzlich zu befürworten ist. Die Vorteile für kardiopulmonales System, Muskulatur und Knochensubstanz sowie der Wunsch des Patienten nach „sportlichem Lifestyle“ müssen jedoch mögliche Risiken durch vermehrte Abnutzung des Implantats, eine mögliche frühzeitige Lockerung der Prothese oder eine prothesenassoziierte Fraktur überwiegen. Bei der Beratung unserer Patienten gilt sicherlich zu berücksichtigen, welche Art von Endoprothese implantiert wurde. Nach Implantation einer bikondylären Prothese verbleibt im Vergleich zu einem Teilgelenkersatz in aller Regel eine weniger physiologische Kinematik mit eingeschränkter Flexion sowie eine schlechtere Propriozeption und muskuläre Koordination. Für körperliche Aktivitäten, gerade auch bei kniegelenkbelastenden Sportarten oder bei höherem Leistungsanspruch, sollten dem Patienten deshalb Verhaltensempfehlungen an die Hand gegeben werden, um eine Überlastung des Polyethylens mit vermehrtem Abrieb oder eine Lockerung der Implantat- Knochen-Verbindung zu vermeiden.
Eine Wiederaufnahme der sportlichen Betätigung ist frühestens 6 Monate postoperativ erlaubt. Es sollten vorrangig Sportarten betrieben werden, die schon vor der Operation beherrscht wurden, vor allem bei für das Kniegelenk komplexen Belastungen. Die Erwartungen des Patienten, ein bestimmtes Leistungsniveau nach der Operation wieder zu erreichen, müssen eingeschränkt werden. Auch die Häufi gkeit der Sportausübung ist der reduzierten Belastbarkeit des Kunstgelenkes anzupassen.
Selbstverständlich ist eine solche Aufl istung nicht „absolut“ zu sehen, sondern kann immer nur als grobe Orientierung gelten. Als Beispiel hierfür mag gelten, dass wir keine grundsätzlichen Bedenken sehen, wenn ein erfahrener Skifahrer nach Knie-TEP ein oder zwei Abfahrten auf einer leichten Piste bei guten Wetter- und exzellenten Schneeverhältnissen macht. Einem unerfahrenen Wintersportler würden wir hingegen dringend abraten.