Die Ruptur des vorderen Kreuzbands gilt nicht nur als eine der häufigsten, sondern auch eine der gravierendsten Ver- letzungen des „Sportler-Knies“. Eine möglichst frühzeitige Diagnose ist wichtig, um eine optimale Behandlung einzu- leiten. Dies gilt heutzutage umso mehr, weil in bestimmten Fällen durch die neue Ligabrace-Methode von Dr. Jan Vonhoegen ein Verfahren zur biologischen Heilung des gerissenen Kreuzbands die bis dato notwendige Kreuzband- ersatz-OP mit autologem Sehnentransplantat (Kreuzband- plastik) vermieden werden kann.
Wir möchten Ihnen nachfolgend „aus der Praxis für die Praxis“ eine Übersicht rund um den Kreuzbandriss geben und Sie über bewährte, insbesondere aber auch über ein neues operatives Verfahren, die Ligabrace-Methode, zum Erhalt und zur Heilung des gerissenen Kreuzbands informieren.
Das vordere Kreuzband (Ligamentum cruciatum anterior, Lca) ist, neben dem hinteren Kreuzband sowie den beiden Seitenbändern, eines der vier wichtigen Stabilisierungsbänder des Knies. Es bildet gemeinsam mit dem hinteren Kreuzband den zentralen Pfeiler des Kniegelenkes. Das vordere Kreuzband verhindert, dass sich die Tibia gegenüber dem Femur nach vorne verschiebt (a. p. Translation). Darüber hinaus ist das vordere Kreuzband für die Rotationsstabilität der Tibia gegenüber dem Femur in Beugung verantwortlich. Das vordere Kreuzband ist ca. 8–10 mm dick und hat eine Reißfestigkeit von über 200 kg.
Der klassische Mechanismus für eine Kreuzbandruptur ist das Rotationstrauma. Das vordere Kreuzband ist besonders gefährdet, wenn durch einen Sturz oder durch eine Gewalteinwirkung sich die Tibia mehr oder minder gewaltsam gegenüber dem Femur nach außen verdreht. Beim Sport, beispielsweise beim Fußball, kommen solche Mechanismen insbesondere im Zweikampf, bei missglückter Landung nach einem Sprung oder sonstigen Stürzen vor.
Durch die Ruptur des vorderen Kreuzbandes wird das Knie sowohl in anteriorer Richtung instabil (= vermehrter a. p. shift) als auch rotationsinstabil. Rotationsinstabilität bedeutet, dass insbesondere in Beugung des Kniegelenkes die Tibia unwillentlich und unkontrolliert gegenüber dem Femur nach außen rotiert. Ist die Instabilität nur mäßig stark ausgeprägt, kann eine Kreuzbandruptur jedoch unter Umständen viele Jahre unerkannt bleiben und dem Betroffenen zunächst keine oder nur wenig Beschwerden bereiten. Häufig verursacht eine Kreuzbandruptur jedoch ein subjektives Instabilitätsgefühl im Knie, ggf. begleitet von wiederholtem Wegknicken des Beins (Giving-way-Symptomatik). Eine chronische Knieinstabilität mit vermehrtem a. p. shift führt zu einer Fehlbelastung von Meniskus und Knorpel. Ein typischer Folgeschaden ist der Meniskusriss, insbesondere ein Korbhenkelriss des Innenmeniskus. Langfristig steigt nach Kreuzbandriss das Risiko auf höhergradige Knorpelschäden bis hin zur Arthrose.
Wenn es kurz nach einem Knietrauma zu einem deutlichen Gelenkerguss kommt, besteht grundsätzlich der dringende Verdacht auf eine Ruptur des vorderen Kreuzbands. Als pathognomonisch für eine Kreuzbandruptur sind der Lachman- und der Pivot-shift-Test. Letzterer ist aufgrund der meist deutlichen Schmerzhaftigkeit des verletzten Kniegelenks unmittelbar nach dem Trauma häufig nicht durchführbar. Das exakte Ausmaß der anterioren Knieinstabilität (a. p. shift) kann mit einer speziellen Messapparatur (Rollimeter, KT 1000) bestimmt werden. Hierbei sollte routinemäßig eine Vergleichsmessung des nicht verletzten Kniegelenks erfolgen. Bei Verdacht auf eine Kreuzbandruptur ist zudem in aller Regel eine MRT-Untersuchung indiziert. Sie ist auch zur Evaluierung etwaiger Begleitverletzungen sinnvoll.
Wird eine vordere Kreuzbandruptur diagnostiziert, stellt sich die Frage nach der optimalen Therapie. Maßgeblich hierfür sind folgende Kriterien:
Ist das vordere Kreuzband gerissen, resultiert eine mehr oder minder stark ausgeprägte Instabilität des Kniegelenks. Individuelle Unterschiede im Ausprägungsgrad der Instabilität beruhen darauf, dass neben einem kompletten Riss Partialrupturen des Kreuzbands vorkommen. Zudem ist die kapsuläre Gelenkführung individuell unterschiedlich stark ausgeprägt.
Patienten mit nur geringer Instabilität sind die idealen Kandidaten für eine konservative Therapie. Hierbei ist intendiert, durch entsprechendes Kraft- sowie Koordinations und Propriozeptionstraining das Kniegelenk muskulär zu stabilisieren. Insbesondere bei Patienten mit einem niedrigen körperlichen und sportlichen Anspruchsniveau kann so ggf. auf eine Operation verzichtet werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn im Alltagsleben keine Symptome verspürt werden. In solchen Fällen ist zudem das Risiko einer frühzeitigen Arthrose nicht allzu groß.
Allen Patienten mit ausgeprägter Knieinstabilität sowie höherem körperlichen Anspruchsniveau muss dringend zu einer Operation geraten werden. Nur so kann dem verletzten Kniegelenk zu seiner physiologischen Stabilität verholfen werden. Ein objektives Maß der Instabilität ist die Rollimeter-Messung. Eine Kreuzband-Operation ist in aller Regel dann indiziert, wenn der physiologische a. p. shift von 3–4 mm beim verletzten Knie verdoppelt oder noch ausgeprägter ist. Dies gilt umso mehr, je jünger der Patient ist. Wenn gravierende Begleitverletzungen wie beispielsweise ein Meniskusriss oder akute Knorpelschäden (flake fracture) vorliegen, ist in aller Regel ebenfalls eine operative Behandlung dringend indiziert.
Bis vor Kurzem galt hierbei das Dogma, dass bei der operativen Therapie das gerissene vordere Kreuzband durch ein körpereigenes Sehnentransplantat ersetzt werden müsse. Früher praktizierte Versuche, ein gerissenes vorderes Kreuzband zu nähen oder durch ein künstliches Band zu ersetzen, waren nicht erfolgreich. Neue Forschungs- und Studienergebnisse zeigen jedoch, dass unter bestimmten Voraussetzungen nach Kreuzbandriss eine natürliche Heilung des Bandes möglich ist und das gerissene Band nicht zwangsweise mittels sogenannter Kreuzbandplastik ersetzt werden muss.
Auch wenn seitens des Patienten meist eine zeitnahe Operation erwünscht ist, sollte eine Kreuzband-OP, sofern sie nicht innerhalb der ersten 24 Stunden nach Verletzung möglich ist, erst erfolgen, nachdem das Kniegelenk abgeschwollen, schmerzarm und relativ gut beweglich ist. Dies ist meist ca. 2–3 Wochen nach dem Unfallereignis der Fall. Bei verfrühter OP besteht ein erhöhtes Risiko einer postoperativen Arthrofibrose. Initial sollten zur Abschwellung neben Kompression und regelmäßiger Kühlung ggf. orale Antiphlogistika (Diclofenac 2 x 75 mg oder Ibuprofen 3 x 600 mg) für einige Tage verordnet werden. Bis zur Operation sollten zudem physiotherapeutische Maßnahmen zur Gelenkmobilisierung, isometrische Kräftigungsübungen und ggf. Lymphdrainagen durchgeführt werden.
Am häufigsten zerreißt das Kreuzband im mittleren Drittel seines Verlaufs. In diesen Fällen muss das gerissene Kreuzband durch eine Kreuzbandplastik ersetzt werden, da eine Reparatur des Bandes in diesem Bereich nicht möglich ist.
Die Kreuzband-Ersatz-OP erfolgt arthroskopisch. Hierbei wird das gerissene, nicht mehr funktionsfähige vordere Kreuzband entfernt und durch ein Transplantat ersetzt. Heute wird von allen Kniespezialisten der Ersatz mit einer körpereigenen Sehne empfohlen. Besonders geeignete autologe Sehnentransplantate sind Semitendinosus- und Grazilissehne, alternativ Teile der Quadriceps- oder Patellarsehne.
Kreuzbandruptur im Verlauf Kreuzbandplastik mit Sehnentransplantat
Das jeweilige Sehnentransplantat wird über einen kleinen ca. 3 cm langen Hautschnitt entnommen. Nach entsprechen-der Präparation wird es durch je ein Bohrloch in der Tibia und dem Femur passgenau eingezogen und fixiert. Die Fixierung erfolgt mit schraubenartigen Implantaten, sogenannten Interferenzschrauben. Sie bestehen aus bioresorbierbarem Material, biologisch inertem Kunststoff oder Titan. Alternativ kann die Fixierung mit einem kleinen Titanplättchen (Endobutton) oder einem Cross-Pin erfolgen. Im Rahmen des Heilungsprozesses wächst das Transplantat in den Knochen ein und übernimmt die Funktion des Kreuzbandes. Um bei einer Kreuzbandersatz-Operation die Anatomie und Funktion des natürlichen Kreuzbandes möglichst exakt wiederherzustellen, wurde eine Zeitlang diskutiert, das Sehnen- transplantat in jeweils zwei statt einem Bohrkanal im Unterschenkel- und Oberschenkelknochen zu fixieren. Bisherscheint diese aufwendigere Zwei-Bündel-Technik (double bundle) jedoch keine eindeutigen Vorteile gegenüber der Ein-Bündel-Technik (single bundle) zu zeigen.
Die Kreuzbandplastik hat sich in den letzten Jahrzehnten als Standard-Verfahren zur Behandlung der vorderen Kreuzbandruptur etabliert. Sie zeigt auch langfristig hervorragende Ergebnisse und erlaubt dem Sportler meist die Rückkehr zum Sport auf höchstem Niveau.
Eine Alternative zum Ersatz des gerissenen vorderen Kreuzbands durch ein Sehnentransplantat ist, das gerissene Band zu erhalten und seine biologische Heilung zu induzieren. Dies ist dann möglich, wenn der Kreuzbandriss im proximalen Drittel seines Verlaufes, nahe seines femoralen Ansatzes liegt. In solchen Fällen kann das gerissene Kreuzband mit der Ligabrace-Methode von Dr. Jan Vonhoegen wieder am Knochen befestigt werden und bleibt somit erhalten. Die Ligabrace-Methode eignet sich jedoch nur zur Behandlung von akuten Kreuzbandrissen, d. h. innerhalb der ersten sechs Wochen nach Verletzung.
Bei der Ligabrace-Methode wird der vom Knochen abgerissene Bandanteil durch eine spezielle Nahttechnik mit Fäden „armiert“ und wieder an seinen anatomischen Ansatz fixiert. Gleichzeitig wird über jeweils ein kleines Bohrloch in der Tibia sowie dem Femur eine „innere“ Schiene aus sehr reißfestem Tape im Zentrum des reparierten Kreuzbandes platziert. Durch zwei kleine Titanplättchen (Endobutton) verhindert diese innere Schiene (engl. brace) den Vorschub desUnterschenkels gegen den Oberschenkel und schützt das Band (engl. ligament) bis zur Ausheilung vor zu starker Zugbelastung. Zudem wird die Heilung durch kleine Bohrungen (Microfracturing) in der Ansatzregion des Kreuzbandes und somit dem Austritt von Stammzellen aus dem Knochenmark unterstützt.
Vereinfacht ausgedrückt, ist die Ligabrace-Technik eine innere Schienung, die dem abgerissenen Kreuzband ihren ursprünglichen Weg vorgibt. Damit nutzt die Operations-methode das Heilungspotenzial nach einem akuten vorderen Kreuzbandriss und fördert die strukturierte, zielgerichtete Verheilung und den Erhalt der Anatomie.
Kreuzbandruptur femoraler Ansatz Kreuzbandnaht mit Ligabrace-Methode
Gegenüber der Kreuzbandplastik entfällt bei der Behandlung mit Ligabrace die Entnahme einer körpereigenen Ersatzsehne. Sie ist somit weniger invasiv und weniger traumatisierend. Der Rehabilitationsprozess schreitet dadurch häufig schneller voran. Zudem ist durch den Erhalt des natürlichen Kreuzbandes mit seinen sensiblen Nervenfasern eine vollständige Wiederherstellung der ursprünglichen Koordination und Propriozeption des Kniegelenkes zu erwarten.
Die Nachbehandlung unterscheidet sich inhaltlich grundsätzlich nicht von der Nachbehandlung der vorderen Kreuzbandplastik mittels autologem Sehnentransplantat. Aufgrund der langen Heilungsdauer von Bandstrukturen sollte ein Sportler, dessen Kreuzbandriss mit der Ligabrace-Methode
operiert wurde, ebenfalls für 6–8 Monate auf Risikosportarten verzichten.
In aller Regel ist im Rahmen der Operation ein Klinikaufenthaltzwischen 1 und 2 Nächten erforderlich.
Für einen optimalen Heilungsprozess ist zum einen die aktive Mitarbeit des Patienten, zum anderen eine professionell begleitende Physiotherapie (Krankengymnastik, Lymphdrainage, Trainingstherapie) erforderlich. Als Leitlinie für die postoperative Behandlung gilt die nachfolgende Aufstellung, wobei selbstverständlich individuelle Abweichungen empfohlen werden können:
Die Kreuzbandersatz-Operation mit autologem Sehnentransplantat ist ein etabliertes Operationsverfahren mit sehr guten Ergebnissen. Hingegen ist die Ligabrace-Methode zur biologischen Heilung des gerissenen Kreuzbandes ein noch sehr junges Verfahren, das immer dann exzellente Ergebnisse erwarten lässt, wenn die Indikationen, nämlich eine frische Kreuzbandruptur im proximalen Drittel, streng beachtet werden. Beide Verfahren sind risikoarm, aber technisch anspruchsvoll. Sie sollten dementsprechend vorrangig von erfahrenen Knie-Chirurgen durchgeführt werden.
Für die langfristige Prognose ist jedoch neben der Erfahrung des Operateurs das Ausmaß der Begleitschäden im Kniegelenk entscheidend. Bei einem Meniskusschaden sollte der Meniskuserhalt angestrebt werden, d. h. der rupturierte Meniskus nach Möglichkeit genäht werden. Je ausgeprägter die Knorpelschäden, insbesondere degenerative Vorschäden sind, desto eingeschränkter ist natürlich die langfristige Prognose. Traumatische Knorpelschäden lassen sich in aller Regel recht erfolgreich mittels Mikrofrakturierung, Knorpelknochen-Transplantation (OATS) oder autologer Chondrozyten-Transplantation behandeln.
Der einfachste und darüber hinaus sehr aussagekräftige klinische Test zur Überprüfung der vorderen Knie-Instabilität bei Verdacht auf eine vordere Kreuzbandruptur ist der Lachman-Test.
Es ist ein Schubladen-Test, bei dem die Verschiebbarkeit der Tibia gegenüber dem Femur nach vorne evaluiert wird. Beim Lachman-Test werden stets beide Knie untersucht, um die ermittelten Werte miteinander vergleichen zu können.
Der Patient liegt auf dem Rücken, das Kniegelenk auf etwa 20° flektiert. Für den weniger Geübten ist es ggf. hilfreich, wenn eine Rolle die Kniekehle stützt („stabilisierter Lachman“). Der Untersucher stabilisiert den Femur mit einer Hand. Die andere Hand umgreift den proximalen Unterschenkel von dorsal und zieht ihn kräftig und dynamisch nach ventral.
Positiv ist der Lachman-Test, wenn sich der Unterschenkel deutlich gegenüber dem Oberschenkel verschieben lässt (anteriorer shift) und der Anschlag weich ist oder ganz fehlt.
Ein Vergleich mit der Gegenseite ist immer ratsam. Je nach Ausmaß des anterioren shifts graduiert man in eine I°-, II°- oder III°-Instabilität. Negativ ist der Lachman-Test, wenn keine oder nur eine geringe Verschiebung im Vergleich zur Gegenseite möglich ist und ein fester Anschlag besteht.
Dr. Jan Vonhoegen aus dem Ärzteteam der KLINIK am RING – Köln bemüht sich seit geraumer Zeit um die Weiterentwicklung der kreuzbanderhaltenden Chirurgie. Die Ligabrace-Methode zur biologischen Heilung der akuten proximalen Lca-Ruptur basiert auf seiner Forschungsarbeit und seinen Erfahrungen. Gemeinsam mit Dr. John, Fach- arzt in der KLINIK am RING, konnte er kürzlich seine wissenschaftlichen Ergebnisse auf dem AAOS in Las Vegas, dem weltgrößten und einem der renommiertesten Kongresse für Gelenkchirurgie vor internationalem Fachpublikum präsentieren.
Falls Sie die Ligabrace-Methode live kennenlernen möchten, persönliche Fragen haben oder einen Fall vorstellen möchten, stehen Ihnen Dr. Vonhoegen und sein Team unter 0221 92424-225 gerne zur Verfügung.