Die letzte Ausgabe von „IM FOKUS“ befasste sich mit typischen Verletzungen beim Skifahren, den Bandverletzungen am Kniegelenk. Neben Skifahren gehört Snowboardfahren inzwischen zu den beliebtesten Wintersportarten. Hier stehen Verletzungen der oberen Extremitäten im Vordergrund. Neben Frakturen von Hand und Unterarm handelt es sich insbesondere um Verletzungen des Schultergelenks. Damit wir rheinländischen Ärzte und Therapeuten unsere Patienten, die häufig bereits am Urlaubsort akut behandelt wurden, optimal weiterbehandeln und betreuen können, sind Hintergrundinformationen über das Snowboardfahren sowie über typische Schulterverletzungen dieser Sportart wichtig. Wie immer möchten wir Ihren Fokus dabei auf die aus unserer Sicht praxisrelevanten Aspekte lenken. Wichtig ist uns dabei, Ihnen neben theoretischen Informationen komprimiert ein paar Dinge für Ihre tägliche Praxis nahezubringen.
Begonnen hat es wohl damit, dass 1965 Sherman Poppen einen Wasserski umbaute und damit versuchte, die Hänge hinunterzugleiten. Ab den 80er-Jahren wurde Snowboardfahren zunehmend populärer und gehört seit 1998 zu den olympischen Disziplinen. Beliebt ist dieser Sport insbesondere bei der jüngeren Generation der Wintersportler. Snowboarden ist einerseits eine ernst zu nehmende Sportdisziplin, andererseits sicherlich aber auch Ausdruck eines Lifestyles: Snowboarder sind coole und lässige Typen.
Man geht davon aus, dass es in Deutschland ca. 2 Millionen aktive Snowboarder gibt. Vor allem in der Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen fi ndet sich ein stetiger Zuwachs. Snowboardfahren zählt zu den klassischen alpinen Risikosportarten. Neben Wirbelsäulenverletzungen stehen Schulterverletzungen mit jeweils ca. 20 % der Fälle im Vordergrund (Statistik der Schweizerischen Unfallversicherung Suva im Jahr 2014). Die Statistiken zeigen weiterhin, dass mit ca. 0,5 Schulterverletzungen pro 1.000 Snowboardtagen zu rechnen ist. Mit über 90 % sind Stürze für die Verletzung der Schulter verantwortlich. Das verwundert nicht, wenn man bedenkt, dass es beim Snowboardfahren häufig zu Stürzen aus hoher Geschwindigkeit oder nach Sprüngen kommt, die mit den Armen abgefangen werden oder bei denen die Wirbelsäule heftig gestaucht wird. Verletzungen der unteren Extremitäten sind dadurch, dass die Beine mit dem Board fest verbunden sind, insgesamt, aber auch im Vergleich zum Skifahren seltener. Die in den früheren Jahren des Snowboardfahrens besonders häufi g aufgetretenen Frakturen im Unterarmbereich sind dank entsprechender Protektoren rückläufi g. Protektoren der Wirbelsäule und das Tragen von Helmen tragen sicherlich auch zu einem positiven Trend bezüglich Wirbelsäulen- und Kopfverletzungen bei. „IM FOKUS“ dieser Ausgabe stehen die Schulterinstabilität und die Distorsion des Acromio-Clavicular-Gelenks, die zu den häufigsten Schulterverletzungen von Snowboardern zählen. Wie gewohnt möchten wir Sie „Aus der Praxis für die Praxis“ über Diagnose, Therapie und Prognose dieser Verletzungen informieren.
Stürze und ein damit verbundenes heftiges Verreißen der Schulter sind typische und häufige Traumata beim Snowboardfahren. Gerade heftige Schulterdistorsionen mit Abduktion und Außenrotation des Arms führen dazu, dass das Schultergelenk, das mobilste Gelenk des menschlichen Körpers, luxieren kann. Kommt es zu einer gewaltsamen Dislokation zwischen Humeruskopf und Glenoid, werden wichtige Stabilisatoren des Gelenks verletzt. Die Folge ist häufig ein chronisch instabiles Schultergelenk.
Die Schulter ist das beweglichste Gelenk des menschlichen Körpers. Dieses hohe Maß an Beweglichkeit bedeutet aber andererseits, dass eine im Vergleich zu anderen Gelenken hohe Luxationsgefahr besteht. Zu mehr als 80 % luxiert der Humeruskopf nach ventro-caudal aus dem flachen cavum glenoidale. Aus einer Luxation resultieren meist weitere Verletzungen: Einrisse von der Gelenkkapsel und Stabilisierungsbändern, es können aber auch Knorpel-, Knochen-, Sehnen- und Nervenverletzungen auftreten. Am häufigsten reißt aber das für die Stabilität äußerst wichtige Labrum glenoidale ab. Diese zarte Gelenklippe gilt als entscheidender Stabilisator der Schulter, weil sie die relativ kleine Gelenkpfanne vergrößert und den Humeruskopf wie ein Ring umschließt. Heilen die wichtigen Stabilisatoren des Schultergelenks nicht oder werden ggf. nicht adäquat operativ versorgt, droht eine chronische Schulterinstabilität, d. h. es treten mehr oder minder gehäuft Rezidiv-Luxationen auf.
Treten nach einem Sturz mit heftigem Verreißen der Schulter starke Schmerzen auf und kann der Arm aktiv nicht bewegt werden, muss neben einem Knochenbruch vor allem an eine Schulterluxation gedacht werden. Die Diagnose Schulterluxation ergibt sich recht eindeutig anhand der klinischen Untersuchung: Der Humeruskopf ist meist ventro-caudal des eigentlichen Schultergelenks zu tasten. Endgültig kann die Diagnose durch eine Röntgenkontrolle der Schulter in 2 Ebenen gesichert werden. Ist die Diagnose gestellt, muss das Schultergelenk umgehend möglichst sanft wieder reponiert werden. Aus unserer Erfahrung heraus geschieht dies am besten mit der Technik nach Hippokrates (siehe auch „Aus der Praxis für die Praxis“). In einigen Fällen gelingt dies nur nach entsprechender Analgetika-Gabe oder in einer kurzen Narkose. Nach Reposition sollte die Schulter mit einer Bandage ruhiggestellt werden. Wir empfehlen statt der häufig angewendeten Gilchrist-Bandage eine Fixationsbandage, mit der frühfunktionell nachbehandelt werden kann (z. B. medi Arm fix). Zur Überprüfung des Repositionsergebnisses und zum Frakturausschluss ist eine Röntgenkontrolle der Schulter in 2 Ebenen notwendig. Um Aufschluss darüber zu gewinnen, welche Weichteilstrukturen in welchem Umfang verletzt worden sind, ist zudem eine MRT-Untersuchung der Schulter dringend indiziert. Im Unterschied zur traumatischen Schulterluxation, die erstmalig z. B. im Rahmen einer Sportverletzung auftritt, besteht bei manchen Menschen eine anlagebedingte Schulterinstabilität. Diese ist meist assoziiert mit einem hypermobilen Habitus, d. h. allgemeiner Kapselbandlaxität. So kann es schon bei minimaler Inanspruchnahme oder alltäglichen Bewegungen zur Luxation der Schulter kommen. Diese Form der Schulterinstabilität nennt man „atraumatische Schulterinstabilität“ oder auch „habituelle Schulterluxation“. Sie muss klar von der traumatischen Schulterinstabilität abgegrenzt werden und erfordert eine völlig andere Behandlung.
Die Behandlungsstrategie nach traumatischer Schulterluxation richtet sich selbstverständlich nach dem Grad der Verletzung. Ganz entscheidend ist aber auch das Alter des Betroffenen. Zeigt das MRT nach traumatischer Schulterluxation eines unter 40-jährigen Patienten eine Bankart-Verletzung, d. h. eine Verletzung des Labrum glenoidale, sollte die verletzte Struktur frühzeitig operativ versorgt werden. Zahlreiche Studien zeigen, dass ansonsten mit bis zu 85 % ein sehr hohes Risiko für eine chronische Schulterinstabilität besteht, d. h. die Schulter auch bei Alltagsbewegungen immer wieder luxiert. Ältere Patienten, d. h. Patienten über 60 Jahre, haben mit weniger als 15 % ein deutlich geringeres Risiko, dass nach primär traumatischer Luxation die Schulter chronisch instabil wird. Ältere Menschen sollten nach einer Schulterluxation deshalb nur dann operativ versorgt werden, wenn eine knöcherne Glenoid-Verletzung (knöcherne Bankart-Läsion) oder eine Läsion der Rotatorenmanschette vorliegt. Bei Patienten mittleren Lebensalters, d. h. 40- bis 60-jährigen Patienten, sollte die Entscheidung pro oder contra operative Versorgung unserer Meinung nach davon abhängig gemacht werden, wie das Aktivitätsniveau des Patienten ist. Es sollte nur dann zur Operation geraten werden, wenn der Patient, aufs Schultergelenk bezogen, Risikosportarten betreibt oder die Schulter im Arbeitsleben extremen Belastungen ausgesetzt ist.
Patienten mit habitueller Schulterluxation, d. h. einer Luxation durch eine anlagebedingte Kapselbandschwäche ggf. in Kombination mit schwacher Schultermuskulatur, sollten, gleich welchen Alters, konservativ therapiert werden. Das heißt konkret, dass nach erfolgtem Einrenken die Schulter für drei Wochen mit einer Bandage ruhiggestellt wird, damit die überdehnte Gelenkkapsel abheilen kann. Danach sollte ein intensives Krankengymnastikprogramm zur Kräftigung und Koordinationsschulung der Muskulatur durchgeführt werden. Erst wenn trotz dieser Maßnahmen die Schulter nicht stabil bleibt, ist auch hier an eine operative Stabilisierung zu denken.
Die operative Versorgung von Schulterinstabilitäten erfolgt fast ausnahmslos minimal-invasiv, d. h. arthroskopisch. Wichtigstes Ziel ist die anatomische Rekonstruktion der verletzten Strukturen, d. h. das abgerissene Labrum glenoidale mittels spezieller Implantate aus Titan oder bioresorbierbaren Materialien wieder an der ursprünglichen Stelle am Glenoidrand zu befestigen. Gleichzeitig können die gerissenen Bänder sowie die überdehnte Gelenkkapsel gestrafft werden.
Wenn eine Schulter nach primär traumatischer Luxation immer wieder luxiert, d. h. chronisch instabil ist, werden die Schäden an der knöchernen Gelenkpfanne (Bankart-Läsion) und dem Humeruskopf (Hill-Sachs-Delle) immer größer. Überschreiten die knöchernen Schäden eine gewisse Größe, kann die Schulter mit einer alleinigen Rekonstruktion der abgerissenen Weichteile nicht dauerhaft stabilisiert werden. Dann ist eine zusätzliche knöcherne Stabilisierung erforderlich. Ein solcher knöcherner Aufbau kann mit einer Knochenspan- Anlagerung vom Beckenkamm, besser jedoch mit dem Processus coracoideus erfolgen (Operation n. Latarjet). Offen chirurgisch wird dieses Verfahren bereits seit 1954 mit guten Langzeitergebnissen durchgeführt. Die für ein rein arthroskopisch durchgeführtes Verfahren (n. L. Lafosse) notwendigen Instrumente (Fa. DePuy/Mitek) existieren seit 2010. Die Latarjet-Operation ist technisch anspruchsvoll und nur sehr wenige Spezialisten sind in der Lage, sie arthroskopisch durchzuführen. Das Ärzteteam der KLINIK am RING, Köln, unter Federführung von Dr. A. Lages, führt diesen Eingriff bereits seit 2012 sehr erfolgreich durch und ist deshalb offizielles Schulungszentrum für andere Operateure.
Nach arthroskopischer Rekonstruktion der verletzten Strukturen bedarf es einer Phase der Ausheilung. Die Schulter muss während der ersten drei Wochen durch eine Funktions-Bandage ruhiggestellt werden. Für einen optimalen Heilungserfolg sind jedoch auch schon in dieser Phase unmittelbar nach der Operation Krankengymnastik und Eigenübungen notwendig. Ca. 6 Wochen nach der OP sollte mit einem Aufbautraining zur Kräftigung und Koordinationsschulung der Schultergürtelmuskulatur begonnen werden. Sportfähigkeit für Kontaktsportarten und Sportarten mit Sturzgefahr besteht nach ca. 6–8 Monaten.
Ein direkter Sturz auf die Schulter führt häufig zur Verletzung des Schultereckgelenks, auch Acromio-Clavicular-Gelenk oder kurz AC-Gelenk genannt. Wird die Verbindung zwischen Clavicula und dem Acromion instabil, resultieren dauerhaft Beschwerden. Für eine optimale Behandlung ist die frühzeitige Diagnose von ganz entscheidender Bedeutung.
Das Acromio-Clavicular-Gelenk ist eine Amphiarthrose, d. h. eine sehr straffe gelenkige Verbindung, die für den Kraftschluss des Schultergürtels eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Je nach Ausmaß der Gewalteinwirkung kommt es bei einer Verletzung des AC-Gelenks zur Überdehnung bis hin zur kompletten Zerreißung der Gelenkkapsel sowie der beiden coraco-claviculären Stabilisierungsbänder. Diese Stabilisierungsbänder, das Lig. deltoideum und das Lig. conoideum, verlaufen vom Processus coracoideus zur Unterfläche der Clavicula. Folge der Kapselbandruptur ist eine mehr oder minder starke Instabilität des Gelenks mit Translation der lateralen Clavicula in cranio-caudaler, aber auch antero-posteriorer Richtung. Klinisch zeigt sich dies mit einem entsprechenden Hochstand der lateralen Clavicula. Die Schwere der Verletzung wird in unterschiedliche Grade eingeteilt. Die gebräuchlichsten Klassifizierungen sind die nach Tossy (I–III) bzw. Rockwood (I–VI).
Tossy I Kapselbanddistorsion mit nur minimalen Einrissen der Bänder
Tossy II höhergradige Teilruptur der Bandstrukturen
Tossy III Komplettruptur der schulterstabilisierenden Bandstrukturen und der Gelenkkapsel
Rockwood I: Distorsion mit nur minimalem Einriss der Bandstrukturen (entspricht Tossy I)
Rockwood II: höhergradige Teilruptur der Bandstrukturen (entspricht Tossy II)
Rockwood III: Komplettruptur der gesamten schulterstabilisierenden Bandstrukturen und der Gelenkkapsel (entspricht Tossy III)
Rockwood IV: horizontale Luxation der lateralen Clavicula nach dorsal, ggf. mit Verhaken im M. trapezius
Rockwood V: extremer Claviculahochstand durch zusätzliche Ruptur der Fascie des M. trapezius
Rockwood VI: Luxation der lateralen Clavicula nach caudal unter den Processus coracoideus
Der Verletzte hat in der Regel Schmerzen, die besonders bei Bewegungen des Armes verstärkt werden sowie beim Liegen auftreten. Neben einer umschriebenen Schwellung in der Schulterregion ist gegebenenfalls ein Hochstand des äußeren Endes des Schlüsselbeins durch die Haut zu erkennen. Häufig besteht bei Palpation eine federnde Luxation oder Subluxation im Acromio-Clavicular-Gelenk, die als „Klaviertastenphänomen“ bezeichnet wird.
Nach akuter Verletzung sollte die Schulter zunächst in einer Funktionsbandage ruhiggestellt werden. Durch eine solche „sling for comfort“ können die meist starken Schmerzen rasch gelindert werden. Begleitend sollte selbstverständlich unmittelbar die verletzte Stelle gekühlt werden und, soweit keine Kontraindikationen bestehen, orale Antiphlogistika eingesetzt werden.
Zur Diagnosestellung gehört neben der Erörterung des Unfallmechanismus eine genaue klinische Untersuchung der Schulter. Zusätzlich ist meist eine Röntgenuntersuchung indiziert, um eine eventuelle laterale Claviculafraktur auszuschließen. Eine exakte Aussage über den Schweregrad der Bandverletzung (Tossy I–III bzw. Rockwood I–VI) erhält man durch Belastungsaufnahmen der unverletzten und der verletzten Schulter im Seitenvergleich (Wasserträger-Aufnahme mit 10 kg Belastung). Das Ausmaß des Hochstandes des Schlüsselbeins unter Zugbelastung ist ein direktes Maß für den Schweregrad der Verletzung. Alternativ können durch Ultraschall die Instabilität des verletzten Gelenks überprüft und/oder durch eine Kernspin-Untersuchung (MRT) die verletzten Bandstrukturen identifiziert werden.
Bei leichteren Verletzungen des Schultereckgelenks (Schweregrade I und II) sind die Kapsel-Band-Strukturen lediglich überdehnt bzw. leicht angerissen. Demzufolge besteht eine allenfalls leichte Gelenkinstabilität. Solche Verletzungen sollten unbedingt konservativ, d. h. ohne Operation behandelt werden. Dabei erfolgt zunächst für wenige Tage die Ruhigstellung des Gelenks mit einer entlastenden Bandage bis zum Nachlassen der Schmerzen. Eis, Salben und orale Antiphlogistika (z. B. Diclofenac 2 x 75 mg oder Ibuprofen 3 x 600 mg) sollten anfangs zusätzlich eingesetzt werden. Physiotherapie kann den Heilungsprozess unterstützen. Bei stärkerer Schwellung ist ggf. Lymphdrainage indiziert, bei sekundären Verspannungszuständen kann ggf. manualtherapeutisch gearbeitet werden. Bei leichten Verletzungen (Tossy I–II, Rockwood I–II) kann mit nachlassendem Schmerz wieder mit leichtem Training begonnen werden, sofern die betriebene Sportart die betroffene Schulter nicht beansprucht. Um ein Heilen der teilverletzten Bänder zu ermöglichen, beträgt bei mittelstarken Verletzungen des Schultereckgelenks die empfohlene Sportpause ca. 6–8 Wochen. Bei stark schulterbelastenden Kontakt- und Risikosportarten sollte ggf. für 12 Wochen pausiert werden. Bei vollständiger Zerreißung aller Bänder (Grad III und höher) wird tendenziell die operative Versorgung empfohlen, wobei die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Behandlungsverfahren individuell gegeneinander abgewogen werden müssen.
Die anatomiegerechte Wiederherstellung des verletzten Schultereckgelenks sollte bei Verletzungen höheren Grades (Tossy III bzw. Rockwood III und mehr) zumindest bei jungen und körperlich aktiven Menschen angestrebt werden. Anderenfalls verbleiben eine eingeschränkte Funktion sowie Schmerzen bei vermehrter Belastung der Schulter. Nicht zuletzt muss auch der kosmetische Aspekt berücksichtigt werden. Häufig wird ein deutlich hoch stehendes laterales Schlüsselbein als ästhetisch störend empfunden. Ob eine Operation bei einer höhergradigen Verletzung (Tossy III, Rockwood III–VI) anzuraten ist, ist jedoch individuell zu prüfen und sollte unbedingt mit einem Schulterspezialisten besprochen werden. Ziel der Operation ist die präzise anatomische Wiederherstellung des verletzten, instabilen Schultereckgelenks. Das Prinzip der Operation beruht darauf, dass die verschobenen Gelenkanteile zunächst eingerichtet werden. Danach muss das Gelenk vorübergehend fixiert werden, damit die gerissenen Kapselbandstrukturen heilen und ihre stabilisierende Funktion übernehmen können. Ganz entscheidend ist, dass eine solche Operation frühzeitig nach dem Unfallereignis, d. h. innerhalb der ersten zwei Wochen nach Trauma erfolgt. Danach haben die verletzten Kapsel- Band-Strukturen keine Heilungstendenz mehr und müssen durch ein Sehnentransplantat ersetzt werden. Früher erfolgte die frühzeitige Stabilisierung des verletzten Schultereckgelenks durch eine offene Operation mit einer Platte, Drähten oder bioresorbierbaren Kordeln. Diese Techniken hatten z. T. erhebliche Nachteile. Neben der relativ großen, offenen OP und der im Nachhinein auffälligen großen Narbe war oft eine zweite OP zur Entfernung der Implantate notwendig. Heutzutage sollte eine Stabilisierungs-Operation des ACGelenks aus unserer Sicht minimal-invasiv, d. h. per Arthroskopie durchgeführt werden. Die eigentliche Stabilisierung des Gelenks erfolgt mittels zweier arthroskopisch eingebrachter Fadensysteme, die mit kleinen Titanplättchen fixiert werden. Auch hierbei ist wichtig, dass der Eingriff innerhalb der ersten zwei Wochen (Akutphase) nach einer Verletzung erfolgt. Es ist also wichtig, unmittelbar nach der Verletzung eine schnelle und genaue Diagnostik durchzuführen, damit diese äußerst effektive Methode zum Einsatz kommen kann. Bereits nach zwei Wochen handelt es sich bei der Schultereckgelenkssprengung um eine „chronische“ Verletzung. Die verletzten Bänder würden auch nach Stabilisierungsoperation nicht ausreichend heilen. Aus diesem Grund wird bei Verletzungen, die länger als zwei Wochen zurückliegen, eine körpereigene Sehne zur Rekonstruktion der Bandstrukturen verwendet (analog zur Kreuzband-OP). Auch diese Operation wird minimal-invasiv, d. h. arthroskopisch durchgeführt.
Wurde eine Schultereckgelenk-Verletzung operativ behandelt, wird die Schulter für ca. 2 Wochen in einer Funktionsbandage (s. u.) geschützt. Eine frühzeitig einsetzende Physiotherapie soll den Heilungsverlauf unterstützen. Tätigkeiten über Schulterhöhe sowie ein intensiveres Aufstützen sollen für 8–10 Wochen, Risikosportarten für 4–6 Monate gemieden werden.
Für die Behandlung zahlreicher Schulterverletzungen und Schultererkrankungen ist eine Bandage erforderlich. Einerseits soll hierdurch die obere Extremität gestützt und entlastet werden, um somit Schmerzen zu reduzieren (sling for comfort). Andererseits soll die Bandage die Schulter bzw. den Arm ggf. sichern, um falsche Bewegungen bzw. Fehlbelastungen zu verhindern. Bei der Auswahl einer Schulterbandage sind aber auch Funktionalität und Tragekomfort ganz entscheidende Aspekte.
Wir favorisieren in den meisten Fällen eine Fixationsbandage, wie sie hier beispielhaft dargestellt ist. Vorteil einer solchen Bandage gegenüber der traditionell häufi g eingesetzten Gilchrist-Bandage ist, dass der Patient seine Hand bei zahlreichen Alltagsbewegungen unterstützend einsetzen kann. Der Einsatz der Hand und des Arms können im Laufe des Heilungsprozesses zudem noch erweitert werden, indem der Teil der Bandage, in dem der Unterarm ruht, weggelassen wird und nur noch der Oberarm gesichert wird. Hierdurch ist eine frühfunktionelle Nachbehandlung möglich.
Grundsätzliches Behandlungsziel einer jeglichen Luxation ist die schnellstmögliche Reposition des luxierten Gelenks. Bei der vorderen Schulterluxation bevorzugen wir hierzu die Repositionstechnik nach Hippokrates. Sie ist die älteste und aus unserer Sicht einfachste Repositionstechnik. Bei der Repositionstechnik nach Hippokrates übt der Behandelnde einen Zug auf den gestreckten Arm des Patienten aus, während er mit seinem Fuß eine Art Widerlager (Hypomochlion) in der Axilla des Patienten erzeugt. Durch eine Zugbewegung am Unterarm und gleichzeitige Innenrotation des Arms wird der Humeruskopf wieder im Glenoid platziert. Der Patient befi ndet sich über die gesamte Dauer der Reposition in Rückenlage, wobei der Behandelnde auf einem Stuhl sitzt oder steht. Nach erfolgreicher Reposition müssen unbedingt Sensibilität, Motorik und Durchblutung des Armes überprüft werden. Die Schulter sollte unmittelbar nach erfolgter Reposition mit einem Dreiecktuch, besser, soweit vorhanden, mit einer Bandage ruhiggestellt werden. Zudem sind Kühlung und orale Antiphlogistika (Diclofenac 2 x 75 mg oder Ibuprofen 3 x 800 mg) indiziert. Eine anschließende Röntgenuntersuchung der Schulter in zwei Ebenen ist zur Überprüfung der korrekten Schultergelenksposition und zum Frakturausschluss dringend anzuraten. Gelingt nach 2-maligem Versuch die Reposition nicht, sollte sie unter iv. Analgesie oder in Kurznarkose unter Klinikbedingungen erfolgen.
Gerne laden wir Sie zu Hospitationen mit folgenden Schwerpunkten ein:
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