Die Schulter ist das beweglichste Gelenk des menschlichen Körpers. Dieses hohe Maß an Beweglichkeit bedeutet aber andererseits, dass eine im Vergleich zu anderen Gelenken hohe Gefahr des “Auskugelns”, in der Fachsprache der "Luxation", besteht.
Dabei springt der Oberarmkopf aus der Gelenkpfanne. Daraus resultieren meist weitere Verletzungen: Einrisse an der Gelenkkapsel und den Stabilisierungsbändern sind oft die Folge. Aber auch Knorpel-, Knochen- und Nervenverletzungen können auftreten. Insbesondere reißt aber häufig die für die Stabilität äußerst wichtige Gelenklippe (Labrum glenoidale) ab. Dieser zarte Faserring gilt als entscheidender Stabilisator der Schulter. Zum einen vergrößert er die relative kleine Gelenkpfanne und zum anderen wird durch ihn der Kopf in der Pfanne quasi festgesaugt.
Treten nach einem Sturz oder nach heftigem Verreißen der Schulter starke Schmerzen auf und kann der Arm nicht mehr richtig bewegt werden, muss neben einem Knochenbruch vor allem an eine ausgekugelte Schulter gedacht werden. Die Diagnose Schulter Luxation ergibt sich recht eindeutig anhand der klinischen Untersuchung und einer Röntgenkontrolle.
Ist die Diagnose gestellt, muss das Schultergelenk umgehend möglichst sanft wieder eingerenkt werden. In vielen Fällen gelingt dies nur in einer kurzen Narkose. Um Aufschluss darüber zu gewinnen welche Strukturen in welchem Umfang verletzt worden sind, sollte eine Kernspin-Tomographie (MRT) der Schulter durchgeführt werden.
Im Gegensatz der oben beschriebenen, unfallbedingten Schulterluxation, die erstmalig z.B. im Rahmen einer Sportverletzung auftritt, besteht bei manchen Menschen eine anlagebedingte Schulterinstabilität. Diese Menschen haben meist ein sehr weiches Bindegewebe und schwache Bänder. So kann es schon bei minimaler Inanspruchnahme oder alltäglichen Bewegungen zum Auskugeln der Schulter kommen. Diese Form der Schulterinstabilität nennt der Fachmann "habituelle Schulterluxation". Sie muss klar von der unfallbedingten, „traumatischen Schulterluxation“ abgegrenzt werden, da sie eine völlig andere Behandlung erfordert.
Zeigt nach einer unfallbedingten Luxation der Schulter die Kernspin-Tomographie, dass wichtige Stabilisatoren verletzt wurden, sollten insbesondere bei jüngeren Patienten die verletzten Strukturen frühzeitig durch einen Schulterexperten im Rahmen einer Operation repariert werden.
Hierdurch entsteht die höchste Sicherheit, dass die Stabilität der Schulter dauerhaft wiederhergestellt wird. Ansonsten verbleibt, wie wissenschaftliche Studien zeigen, bei mehr als 85% der Patienten eine chronische Instabilität der Schulter - die Schulter kugelt dann z.T. auch bei Alltagsbewegungen immer wieder aus. Durch eine minimal-invasive Arthroskopie sind Schulterspezialisten in der Lage, dies sehr schonend und risikoarm durchzuführen.
Ältere Patienten haben ein deutlich geringeres Risiko, dass die Schulter nach einer unfallbedingten Luxation chronisch instabil wird und immer wieder auskugelt. Ältere Menschen sollten deshalb nach einer Schulter-Luxation nur dann arthroskopisch operiert werden, wenn im Rahmen des Unfalls wichtige Sehnen (Rotatorenmanschette) gerissen sind oder die Schulter mehrfach auskugelt.
Patienten mit habitueller Schulterluxation, also einer Luxation durch eine anlagebedingte Kapsel-Bandschwäche, ggf. in Kombination mit schwacher Schultermuskulatur, sollten zunächst immer konservativ therapiert werden. Das heißt konkret, dass nach erfolgtem Einrenken und 2-3 Wochen der Abheilung ein intensives Krankengymnastikprogramm zur Kräftigung und Koordinationsschulung der Muskulatur durchgeführt werden sollte. Erst wenn trotz dieser Maßnahmen die Schulter nicht stabil bleibt, ist auch hier an eine operative Stabilisierung zu denken.
Heute operieren Schulterspezialisten Schulterinstabilitäten fast ausnahmslos minimal-invasiv, d.h. arthroskopisch. Bei der Arthroskopie erfolgt die Reparatur der verletzten Strukturen über drei jeweils nur wenige Millimeter kleine Zugänge. Durch die ins Gelenk eingeführte Mini-Kamera können die verletzten Strukturen exakt untersucht und mit feinsten Spezialinstrumenten ganz gezielt rekonstruiert werden.
Wichtigstes Ziel ist es, die abgerissene Gelenklippe (Labrum glenoidale) mittels spezieller Implantate aus bioresorbierbaren Materialien wieder an der ursprünglichen Stelle zu befestigen. Gleichzeitig können die gerissenen Bänder, sowie die überdehnte Gelenkkapsel gestrafft werden.
Wenn der Schaden am Gelenk größer ist oder wenn im Vorfeld die Schulter bereits häufiger luxiert war können zusätzlich Schäden an der knöchernen Gelenkpfanne (Bankart-Läsion) sowie dem Oberarmkopf (Hill-Sachsdelle) auftreten. Überschreiten die knöchernen Schäden eine gewisse Größe kann die Schulter mit einer alleinigen Rekonstruktion der abgerissenen Weichteile nicht dauerhaft stabilisiert werden. Dann ist eine zusätzliche knöcherne Stabilisierung erforderlich.
Ein solcher knöcherner Aufbau kann mit dem so genannten Rabenschnabelfortsatz (Coracoid) der Schulter erfolgen (Operation n. Latarjet). Eine erneute Schulterluxation und die damit verbundene langfristige Arthrose kann so sehr effektiv verhindert werden. Offen chirurgisch wird dieses Verfahren bereits seit 1954 mit guten Langzeitergebnissen durchgeführt.
Das rein arthroskopisch durchgeführte Verfahren ist etwa seit 2010 dem Experimentalstadium entwachsen und in Spezialistenkreisen viel beachtet. Die Latarjet-Operation ist technisch sehr anspruchsvoll und nur sehr wenige Spezialisten sind in der Lage sie arthroskopisch durchzuführen. Das Ärzteteam der Klinik am Ring - Köln macht dies unter Federführung von Dr. A. Lages bereits seit 2012 sehr erfolgreich und ist deshalb überregionales Schulungszentrum für andere Operateure.
Für die arthroskopische Behandlung eines instabilen Schultergelenks ist zur Betäubung eine Vollnarkose notwendig.
Häufig erfolgt neben der Vollnarkose eine regionale Betäubung des Nervengeflechts (Plexus), das die Schulter versorgt. Durch diese zusätzliche Betäubung benötigt der Anästhesist weniger Medikamente für die Vollnarkose. Somit ist die Narkose für den Patienten noch besser verträglich.
Nach arthroskopischer Rekonstruktion der verletzten Strukturen bedarf es einer Phase der Ausheilung. Die Schulter muss während der ersten drei Wochen durch eine Bandage ruhig gestellt werden. Für einen optimalen Heilungserfolg sind jedoch auch schon in dieser Phase Krankengymnastik und Eigenübungen notwendig.
Etwa 6 Wochen nach der OP sollte mit einem Aufbautraining zur Kräftigung und Koordinationsschulung der Schultergürtelmuskulatur begonnen werden. Sportfähigkeit für Kontaktsportarten und Sportarten mit Sturzgefahr besteht nach ca. 6 Monaten.